Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wollen stärker gegen Machtmissbrauch und übergriffiges Verhalten in der Wissenschaft vorgehen. Die drei Landesrektorenkonferenzen verständigten sich in einer Selbstverpflichtung auf konkrete Maßnahmen. Das NRW-Wissenschaftsministerium will die Initiative mit einer Änderung des Hochschulgesetzes flankieren. Außerdem soll eine hochschulübergreifende unabhängige Anlaufstelle für Opfer von Machtmissbrauch geschaffen werden. Das kündigten NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) und die Landesrektorenkonferenzen am Dienstag in Düsseldorf an.
«Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen müssen sichere Orte sein», sagte Brandes (CDU). Die Menschen müssten an dem Ort, wo sie lernten, forschten und lehrten respektvoll und wertschätzend behandelt werden. Es gebe aber an Hochschulen «asymmetrische Beziehungen» und ein «Machtgefälle».
Unter anderem sollen künftig flächendeckende Betreuungsvereinbarungen für Promotionsvorhaben die Rechte und Pflichten von Doktorandinnen und Doktoranden sowie deren Betreuern festschreiben. In Fällen von Machtmissbrauch sollen Opfer und Zeugen ermutigt werden, sich zu melden.
Machtmissbrauch an Universitäten reicht von willkürlicher Übertragung von Aufgaben an Mitarbeitende über die systematische Überlastung mit Arbeit bis hin zur Aneignung von geistigem Eigentum, sexueller Belästigung und Nötigung. Zuletzt sorgten Vorwürfe von Machtmissbrauch an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen sowie an der Uni Köln für Schlagzeilen.
Eckpunkte der Hochschulgesetznovelle, die kommendes Jahr verabschiedet werden soll, sehen unter anderem vor, dass bei der Promotion Betreuungsvereinbarungen verpflichtend werden. Promotionen sollen künftig in der Regel durch unterschiedliche Personen betreut und begutachtet werden. «Dadurch werden wir die Möglichkeiten, Macht zu missbrauchen, erheblich einschränken», sagte Brandes. Als zulässige und abschreckende Sanktion sei etwa ein öffentliches Rügerecht geplant, wenn ein Doktorvater Forschungsergebnisse von Promovierenden ohne Kennzeichnung übernehme. Solch eine Sanktion hätte Auswirkungen auf die Reputation des oder der Gerügten. Das derzeitige Disziplinarrecht sei bei wissenschaftlichem Fehlverhalten nicht immer anwendbar.
Beim Thema Machtmissbrauch habe sich in den vergangenen Jahren bereits sehr viel bewegt, sagte Johannes Wessels, Rektor der Universität Münster und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Universitäten. Es gebe auch an den Hochschulen interne Anlaufstellen. Schwere Formen von Machtübergriffigkeiten entstünden aber in der Regel aus den besonderen Abhängigkeitsverhältnissen. So wollten die Promovierenden später eine Karriere machen und seien auf die Begutachtung ihrer Arbeiten angewiesen.
Abschreckung und klare Sanktionen seien wichtige Elemente, damit solche Fälle nicht passierten, sagte Bernd Kriegesmann, Präsident der Westfälischen Hochschule.
In der künstlerischen Lehre verlangten die Machtstrukturen etwa im Einzelunterricht oder der Arbeit in Werkstätten eine besondere Sensibilität, sagte Thomas Leander, Rektor der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, für die Landesrektorenkonferenz der Kunst- und Musikhochschulen.
Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW gehen die Schritte nicht weit genug. Betreuung und Benotung müssten konsequent voneinander getrennt werden. Bei den Sanktionen gegen Machtmissbrauch bleibe die Landesregierung unkonkret. Wesentlich sei es auch, die Anzahl der Beschwerden zu erheben, um das Dunkelfeld zu erhellen.
Nach ersten Schätzungen sind im Wintersemester 2023/24 rund 725.000 Studierende an den NRW-Hochschulen eingeschrieben. Das ist nach Angaben des Wissenschaftsministeriums ein leichter Rückgang um 2,4 Prozent im Vergleich zum Wintersemester 2022/23. Die Zahl der Erstsemester bleibt mit einem leichten Rückgang um 0,1 Prozent auf rund 89.000 ungefähr auf dem Stand des Vorjahres. Der leichte Abwärtstrend der vergangenen Jahre scheine sich damit nicht fortzusetzen, hieß es weiter.