Nachfolgesuche für Hausärzte zunehmend schwieriger

Mehr als ein Drittel der Hausärzte in NRW ist älter als 60 Jahre. In Westfalen-Lippe sind sogar etwa 40 Prozent der Hausärzte über 60. Damit wird in absehbarer Zeit ein erheblicher Teil in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig dürfte aber auch der Behandlungsbedarf steigen.
Ein Stethoskop liegt in der Praxis eines Hausarztes. © Stephan Jansen/dpa/Illustration

Für die in Ruhestand gehenden Hausärzte wird es zunehmend schwieriger, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden. «Viele Hausärzte kommen jetzt ins Rentenalter. Wir haben eine richtige Welle vor uns», sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, der Deutschen Presse-Agentur. Die aktuelle Zahl an Medizin-Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen werde nicht ausreichen, um die immer näher kommende Ruhestandswelle abzufangen. Erforderlich seien ein Bündel an Maßnahmen und neue Strukturen.

Auch der Hausärzteverband Westfalen-Lippe hat auf die Entwicklung reagiert. «Einen geeigneten Nachfolger zu finden, ist auf jeden Fall eine Herausforderung für die Hausärztinnen und Hausärzte», sagte die 1. Vorsitzende, Anke Richter-Scheer, der dpa. Das Thema sei seit Jahren aktuell. Kreise, Kommunen und Verband hätten zahlreiche Aktionen und Initiativen ins Leben gerufen. So unterstütze der Verband die Hausarztpraxen bei dem Prozess der Praxisnachfolge mit persönlichen Beratungen, einer Praxisbörse oder auch Fortbildungen.

In Nordrhein-Westfalen gibt es laut Gesundheitsministerium 11 200 niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzten, von denen mehr als ein Drittel das 60. Lebensjahr überschritten hat. Deshalb sei künftig von einem erheblichen Nachbesetzungsbedarf auszugehen, «wenn das heutige Versorgungsniveau nur annähernd gehalten werden soll», sagte ein Sprecher. Gerade im ländlichen Raum sei die hausärztliche Versorgung weniger engmaschig und teilweise bereits durch Versorgungsengpässe gekennzeichnet. In den vergangenen Jahren sei ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, um dem Hausärztemangel entgegenzuwirken.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass das Hausarztaktionsprogramm fortgesetzt werde und damit weiterhin rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr für dieses Förderprogramm zur Verfügung stünden. Es sei neben der Landarztquote und dem Ausbau der Medizinstudienplätze ein wichtiger Baustein, mit dem die Landesregierung aktiv zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum beitrage, erklärte er.

Laut Funken macht sich der demografische Faktor sowohl bei den Hausärzten und Praxispersonal als auch bei den Patienten bemerkbar. Der Behandlungsbedarf werde in den kommenden Jahren tendenziell eher noch zunehmen, weil es immer mehr ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen gebe. Hinzu komme der Trend, dass ältere Menschen und auch junge Familien aus den Großstädten mit teurem Wohnraum in das günstigere Umland ziehen würden und dort ohnehin weniger Hausärzte tätig seien. Vielerorts fehlten jetzt schon Praxismitarbeiter. «Das sind die Megatrends die alle aufeinander treffen», erklärt Funken.

Vor diesem Hintergrund könne die ambulante Versorgung langfristig gesehen nicht mit den bisherigen Strukturen bedarfsgerecht gedeckt werden: «Die gewohnte Dichte der Versorgung, wie sie jetzt ist, können wir mit den klassischen Strukturen nicht auf Dauer aufrecht erhalten», sagte Funken. Irgendwann komme der Punkt, dass ein Inhaber oder eine Inhaberin die Praxis aus Altersgründen nicht weiterführen könne. Statt sie zu schließen und damit eine Lücke zu hinterlassen, wären Gemeinschaftspraxen eine Alternative, in denen ältere Kollegen zusammen mit jüngeren für einen allmählichen Übergang sorgen könnten.

Besonders das Genossenschaftsmodell biete für Gemeinschaftspraxen Chancen. Denn Ärzte könnten so leichter praxisübergreifend den Arbeitsplatz wechseln. Viele junge Ärzte wählten eine Anstellung etwa im Krankenhaus statt Selbstständigkeit. Neben der Attraktivität von Großstädten sei auch die Arbeitsbelastung ein Faktor. «Die Hausärzte leisten heute wesentlich mehr als vor 20 oder 30 Jahren», betonte Funken. Bei etwa 30 bis 35 Wochenstunden reiner Behandlungszeit entstünden durch Bürokratie, Patientenbesuche und Fortbildung schnell bis zu 50 Wochenstunden. Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich sei weitgehend praxisfern und so wenig hilfreich für Hausärzte.

Richter-Scheer wies auf eine enge Kooperation des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe mit den Universitäten der Region hin. «Wir arbeiten auch mit Kommunen und Kreisen zusammen, um für eine Zukunft als Hausarzt zu werben und die jungen Leute für unser Fachgebiet zu begeistern. Aber wir brauchen zudem dringend mehr Studienplätze.»

Die Nachbesetzung von Arztsitzen werde in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger, stellt auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe fest. «Um die hausärztliche Versorgung zu sichern und im solidarischen System bezahlbar zu halten, darf nicht nur die Arztzahl in den Blick genommen werden, zumal diese nicht beliebig vermehrbar ist», sagt Vorstandschef Dirk Spelmeyer. Es müsse ebenso auf die Rahmenbedingungen geschaut werden. Handlungsbedarf sieht er auch bei fehlenden Medizinstudienplätzen. Zuletzt hat der Verband nach eigenen Angaben mit dem Kreis Herford ein Förderprogramm für hausärztlichen Nachwuchs geschnürt, ein «Rundum-Sorglos-Paket».

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein bezeichnet die angespannte Nachwuchslage in der ambulanten Versorgung als ein zentrales Problem. Junge Medizinerinnen und Mediziner hätten nicht nur ein immenses Angebot an alternativen Tätigkeitsoptionen in Wirtschaft, Forschung oder Kliniken, sondern tendieren mit Blick auf ihre Familie oft zu einer Tätigkeit in Städten und zu einem Beschäftigungsverhältnis in Teilzeit, schilderte ein Sprecher. Es seien viele Akteure gefragt. Es gelte auch ergänzende Maßnahmen wie attraktive Betreuungs- und Freizeitangebote für Familien in den Kommunen im Blick zu haben.

© dpa
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