Fiktive Testzentren: Bande soll Millionen ergaunert haben

Mehr als 16 Millionen Euro für Corona-Tests, die gar nicht gemacht wurden - weil es auch gar kein Testzentrum gab. Ein mutmaßlicher Betrugsfall im Raum Köln wirft erneut ein Schlaglicht darauf, wie Kriminelle die deutsche Corona-Politik ausgenutzt haben sollen.
Die Schriftzug «Polizei» leuchtet auf dem Dach eines Streifenwagens der Polizei. © Carsten Rehder/dpa/Symbolbild

Eine Betrüger-Bande soll sich mit der Abrechnung von erfundenen Corona-Tests aus nicht existenten Testzentren im Raum Köln mehr als 16 Millionen Euro erschlichen haben. Darüber berichteten am Dienstag Staatsanwaltschaft und Polizei, nachdem die Ermittler in den Stunden zuvor mit Durchsuchungen gegen Verdächtige vorgegangen waren und vier Haftbefehle vollstreckt hatten. Insgesamt gebe es 22 Beschuldigte in dem Verfahren, teilten sie mit. Der «mutmaßliche Hauptdrahtzieher» sei auf Sizilien festgenommen worden.

Das mutmaßliche Vorgehen der Gruppe sei geradezu «simpel» gewesen, sagte Kriminaldirektor Michael Esser. «Es hat selbst uns erfahrene Ermittler erstaunt, dass man mit wenigen vorbereitenden Handlungen letztendlich unentdeckt so viel Geld beiseiteschaffen kann.»

Die Verdächtigen sollen ein Schreiben der Stadt Köln zur Bescheinigung eines Testzentrums bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein verfälscht haben. Dabei sei eine real existierende Teststellen-Nummer eingefügt worden. Woher die mutmaßlichen Täter sie hatten, ist noch unklar. Allerdings sei eine solche Nummer etwa auf Mitteilungen zu Testergebnissen zu finden, erläuterte Esser.

Mit dem gefälschten Schreiben soll es möglich gewesen sein, einen Zugang zum Portal der KV zu bekommen, um Tests abzurechnen. Für die erwartete Post von der KV seien dann Menschen angeworben worden, die ihre Briefkästen zur Verfügung gestellt hätten. Insgesamt seien auf diese Weise im Kölner Stadtgebiet neun vermeintliche Testzentren entstanden, dazu noch eins in Langenfeld. Existiert hätten sie aber nie. Auch sei kein einziger Test gemacht worden.

«Erschreckend» nannte Esser die Vorgänge, die er als Beispiel referierte. Für einen nicht existierenden Pflegedienst hätten die Verdächtigen zum Beispiel für den Februar 2022 mehr als 185 000 angebliche Antigen-Tests eingereicht. «Das wären 4,6 Tests pro Minute gewesen», sagte Esser. Zugleich betonte er, dass es bislang keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass jemand seine Pflichten verletzt habe.

«Es war eine Fälschung eines Schreibens, was letztlich dazu geführt hat, dass die Kassenärztlichen Vereinigung diese Auszahlungen veranlasst hat. Das war eine Handlung der Täter», sagte er. Der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sagte, dass der Staat in einer historischen Situation einen «gewaltigen Vertrauensvorschuss» geleistet habe. Unbürokratisch habe es Hilfe geben sollen. Mit dem Begriff «unbürokratisch» gehe meist allerdings einher, dass Kontrollmechanismen reduziert würden. «Mehr Bürokratie zu wagen» sei «auch nicht in allen Fällen die schlechteste Idee», sagte Bremer.

Von rund 21,5 Millionen beantragten Geldern wurden nach Angaben der Ermittler rund 16,6 Millionen tatsächlich ausgezahlt. Mehr als sechs Millionen seien bereits beschlagnahmt worden. Es fehle damit aber weiterhin eine Millionensumme. In Gang gekommen waren die Ermittlungen durch mehrere Geldwäsche-Verdachtsanzeigen von Banken. Ein Millionenbetrag sei auf verschiedenen Konten hin und her geschoben worden. Der Haftbefehl geht von einem Tatzeitraum von Juni 2021 und Mai 2022 aus.

Durchsucht wurden am Dienstag Räumlichkeiten in Köln, Bergisch Gladbach, Hürth, Siegburg, Langenfeld, Wuppertal und Palermo. Die vier Männer, bei denen Haftbefehle vollstreckt worden seien, seien die mutmaßlichen Organisatoren der Bande und zwischen 31 und 46 Jahre alt. Alle hätten ihren Hauptwohnsitz in Köln.

Der Hauptverdächtige sei am vergangenen Wochenende allerdings kurzfristig nach Sizilien gereist - aus einem familiären Grund. Eine eigentlich angedachte Rückkehr habe dann nicht stattgefunden. Daher beantragten die Kölner Ermittler einen europäischen Haftbefehl, mit dem er auf Sizilien aufgegriffen wurde.

© dpa
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