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Razzia gegen Neonazi-Verein in drei NRW-Städten

Mit einem Kult um germanische Götter und mit Literatur wie aus Nazizeiten versuchte eine rechtsextreme Vereinigung besonders das Interesse junger Menschen zu wecken. Nun schritten Ermittler ein und nahmen sich dabei auch Gebäude in Nordrhein-Westfalen vor.
Razzien gegen völkische Siedler
Polizisten stehen im Eingangsbereich eines Mehrfamilienhauses in Essen. © Justin Brosch/dpa

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine weitere rechtsextremistische Vereinigung verboten, die auch in Nordrhein-Westfalen aktiv war. In dem Bundesland durchsuchten am Mittwochmorgen 80 Beamte des Bundes und des Landes drei Objekte in Essen, Oberhausen und Porta Westfalica, wie Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) in Düsseldorf erläuterte. Darunter war eine Arztpraxis (in Essen).

Es ging um «Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung». «Rassismus und Antisemitismus sind die Glaubensinhalte dieses Vereins.» Der Verein gehe «menschenverachtenden Fantasien und Träumereien des NS-Staates» nach. «Der Staat wehrt sich, wir lassen so etwas nicht zu», so Reul.

Einsatzkräfte der Polizei drangen in 12 Bundesländern in 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern sowie in Räume der Vereinigung ein. Das Bundesinnenministerium hatte das Verbot der Vereinigung, die sich häufig in einem Hotel in Thüringen getroffen hatte, seit mehr als einem Jahr vorbereitet. «Die Artgemeinschaft verbreitet unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein Menschenbild, das gegen die Menschenwürde verstößt», sagte Reul. «Das Ziel der Vereinigung war es, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auszulegen und zu verfestigen.»

Besonders perfide: Die Neonazi-Vereinigung hat nach den Worten von Innenminister Reul versucht, ihre Ideologie auch Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Hierbei sei Literatur aus der NS-Zeit genutzt worden, die nur marginal abgeändert worden sei. «Der Verein hat einen eigenen Buchdienst sowie eine eigene Webseite und Präsenzen in sozialen Medien», erläuterte der Landespolitiker. «Damit sollten vor allem Nichtmitglieder mit diesem extremistischen Gedankengut ideologisiert, radikalisiert und geworben werden.»

Die Gefahr, die von der Vereinigung ausgegangen sei, sei groß gewesen, aber nicht so, als würde jemand mit einem Messer oder einer Schusswaffe herumlaufen, sagte Reul. «Die Gefahr ist die Beeinflussung von Menschen und insbesondere von Kindern und Jugendlichen - das halte ich für außerordentlich dramatisch.» Den Verein habe es schon jahrzehntelang gegeben - «es war höchste Eisenbahn, dass dem Spiel ein Ende gemacht wird».

Bundesinnenministerin Faeser beschrieb «Die Artgemeinschaft» in einer Mitteilung als «sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung». Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl: «Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.»

Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Schätzungen des Ministeriums rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte «Gefährtschaften», «Gilden», «Freundeskreise» und ein Verein namens «Familienwerk».

Durchsucht wurde den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Aus Sicherheitskreisen hieß es, eine größere Siedlung zum gemeinschaftlichen Wohnen habe die «Artgemeinschaft» nicht gegründet. Bei den Razzien wurden laut Bundesinnenministerium unter anderem Schusswaffen, ABC-Schutzanzüge, Gold, Bargeld und extremistische Schriften sichergestellt.

In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung «Hammerskins Deutschland» verboten. Vor allem durch die «manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder» und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die «Artgemeinschaft» nicht weniger gefährlich als die «Hammerskins», sagte die Ministerin.

Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der «Erhalt der Deutschen». «Deutschsein» werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen «Blut-und-Boden»-Ideologie definiert. Die «Artgemeinschaft» taucht hier nicht auf. In einer Publikation des Verfassungsschutzes von 2020 wurde die Gemeinschaft als «die derzeit größte deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung» bezeichnet. Ihre Mitglieder werden angehalten, möglichst viele Kinder zu bekommen.

Das «American Jewish Committee Berlin» begrüßte das Verbot. In einer Mitteilung hieß es: «Seit seiner Gründung 1951 nahm der Verein eine zentrale ideologische und organisatorische Scharnierfunktion zwischen verschiedenen neonazistischen und rechtsextremistischen Milieus und Organisationen ein, die bis in den Bereich des Rechtsterrorismus reichten.»

© dpa
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