Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat sich für eine genauere Betrachtung der «Reichsbürger»-Szene durch den Verfassungsschutz ausgesprochen. «Diejenigen, die sich mutmaßlich zu einem Staatsstreich verschworen haben, sind nur ein Teil der «Reichsbürger»-Szene. Das ist die Spitze des Eisbergs. Der Resonanzboden ist leider viel größer. Das muss man sehr ernstnehmen», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. «Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsschutz künftig sehr viel stärker auf diesen Bereich von Rechtsextremismus schauen wird. Wir werden überall verstärkt zeigen müssen, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind.»
Auch mit Blick auf Verbindungen der AfD zur «Reichsbürger»-Szene sieht der Regierungschef den Verfassungsschutz in der Verantwortung. «Es gibt personelle Berührungspunkte. Ich kann das nicht quantifizieren. Das wird Aufgabe des Verfassungsschutzes sein, dieses Dunkelfeld aufzuhellen», sagte Weil.
Der Ministerpräsident betonte, auch in Niedersachsen gebe es die sogenannten Reichsbürger, die die Existenz der Bundesrepublik abstreiten. «Wir scheinen prozentual etwas unter dem Bundesdurchschnitt zu liegen, aber das sollte niemanden von uns beruhigen. Es gibt sie, und das in einer Zahl, die uns beunruhigen muss», sagte er.
Bei einer großen Razzia im «Reichsbürger»-Milieu hatte die Bundesanwaltschaft in der vergangenen Woche 25 Menschen festnehmen lassen, darunter eine Ex-Bundestagsabgeordnete der AfD. 22 der Festgenommenen wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Die drei weiteren gelten als Unterstützer.
Nach Angaben des Innenministeriums in Hannover gibt es in Niedersachsen etwa 900 sogenannte Reichsbürger. Etwa 50 von ihnen seien als rechtsextrem zu bezeichnen.
Die niedersächsische AfD weist Verbindungen zu der Szene von sich. Der Grünen-Innenpolitiker Michael Lühmann forderte dagegen eine Debatte über ein Parteiverbot der AfD. «Es gibt mehrere Menschen, die mit AfD-Bezug da drin sind», sagte Lühmann am Dienstag nach einer Unterrichtung im Innenausschuss des Landtags über die Szene.