Prozess: Steinhoff-Bilanzen mit Scheingeschäften geschönt

Verfälschte Darstellungen in Bilanzen sind eine Straftat. Deshalb stehen Ex-Manager des Möbelhändlers Steinhoff in Oldenburg vor Gericht. Das Geschehen wird auch in Südafrika aufmerksam verfolgt.
Landgericht Oldenburg
Außenansicht vom Landgericht Oldenburg. © Sina Schuldt/dpa/Archivbild

Das Landgericht Oldenburg versucht seit Mittwoch in einem zweiten Prozess, den fast sechs Jahre alten Bilanzskandal beim internationalen Möbelhändler Steinhoff aufzuarbeiten. Geht es im ersten Prozess um den mutmaßlichen Anstifter der Manipulationen, den Ex-Vorstandschef Markus Jooste aus Südafrika, stehen seit Mittwoch zwei deutsche Manager vor Gericht: Sie sollen mit Scheingeschäften aktiv Bilanzen verfälscht haben.

Einem 51 Jahre alten früheren Geschäftsführer europäischer Steinhoff-Gesellschaften legte die Staatsanwaltschaft fünf Fälle von unrichtiger Darstellung in Firmenbilanzen zur Last. Er wird auch des Kreditbetrugs in zwei Fällen beschuldigt. Ein 64 Jahre alter Ex-Geschäftsführer soll Beihilfe geleistet haben.

Die Marke Steinhoff hat ihre Wurzeln in Westerstede in Niedersachsen, zeitweise gehörte die deutsche Möbelhauskette Poco zum Unternehmen. Heute hat der internationale Konzern seinen Rechtssitz in den Niederlanden, die operative Zentrale in Südafrika. Als die Bilanzmanipulationen Ende 2017 ruchbar wurden, stürzte der Börsenkurs ab. Anteilseigner verloren Milliarden Euro an Vermögen.

Viele Anleger in Südafrika waren betroffen, darunter auch Rentenfonds. In Südafrika werden die Oldenburger Prozesse deshalb aufmerksam verfolgt. Steinhoff versucht derzeit eine Einigung mit seinen Gläubigern. An der Börse in Frankfurt dümpelt der Kurs von Steinhoff-Aktien seit geraumer Zeit bei knapp über einem Cent.

In Oldenburg geht es indes nicht um die Schaden für die Aktionäre. Das Gericht versucht im Detail zu klären, was wann an den Bilanzen der europäischen Tochtergesellschaften geschönt wurde. Für unrichtige Darstellung in Bilanzen sieht Paragraf 331 des Handelsgesetzbuches eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft vor.

Laut Anklage sollen die zwei Geschäftsführer auf Vorgabe Joostes Verluste verschleiert und die Bilanzen geschönt haben. Die fünf Fälle beginnen im Geschäftsjahr 2010/11 und ziehen sich bis 2014 hin. Der Staatsanwalt sprach von «schwer nachvollziehbaren Scheingeschäften» im unüberschaubaren Geflecht von Gesellschaften der Steinhoff-Gruppe. Doch mit diesen Geschäften seien die Bilanzen jedes Jahr um mehrere Hundert Millionen Euro verfälscht worden. Die Ergebnisse seien dann in Konzernabschlüsse in Europa und in Südafrika eingeflossen.

Mit den geschönten Bilanzen soll der 51-jährige Angeklagte dem Möbelkonzern 2015 noch zwei große Bankkredite von 360 Millionen Euro und 250 Millionen Euro verschafft haben. Nach Verlesung der Anklage beendete die Wirtschaftsstrafkammer die Sitzung für Mittwoch und kündigte ein Gespräch mit den Beteiligten an, um die Möglichkeit eines verkürzten Verfahrens zu prüfen.

Im ersten Oldenburger Prozess wird schon seit Mitte April gegen Jooste verhandelt, der aber zu Prozessbeginn nicht erschien. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Haftbefehl, die Entscheidung des Gerichts dazu steht noch aus. Mit Jooste angeklagt war ein 72 Jahre alter Treuhänder. Das Verfahren gegen ihn wurde gegen Zahlung einer Geldauflage vorläufig eingestellt.

© dpa
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