Welche Baustellen Rot-Grün noch vor sich hat

In den ersten Monaten der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen stand vor allem die Energiekrise im Fokus. In den nächsten Monaten sollen eigene Schwerpunkte folgen - wenn die Kassenlage es zulässt.
Stephan Weil (SPD)(l), Ministerpräsident von Niedersachsen, spricht im Landtag. © Julian Stratenschulte/dpa

Seit 100 Tagen ist Niedersachsens Landesregierung aus SPD und Grünen im Amt. Die erste Bilanz von Regierung, Opposition, Gewerkschaften und Verbänden fiel am Mittwoch gemischt aus.

Im Mittelpunkt der bereits von der Landesregierung angestoßenen Maßnahmen steht der Ende November verabschiedete Nachtragshaushalt. Kern des 2,9 Milliarden Euro teuren Pakets ist ein Sofortprogramm von knapp einer Milliarde, das private Verbraucher, kleine und mittlere Unternehmen, Kommunen und soziale Einrichtungen angesichts der enorm gestiegenen Energiepreise entlasten soll.

Ein Überblick über die rot-grüne To-Do-Liste:

Krankenhäuser: Die Auswirkungen der Krankenhausreform auf die einzelnen Regionen in Niedersachsen sollen noch in diesem Jahr konkretisiert werden. «Das ist eines von den absoluten Dickschiffen, die wir in diesem Jahr bewegen müssen», sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Die Krankenhausreform sieht vor, dass das Land in acht Versorgungsregionen unterteilt wird und die Krankenhäuser in drei Stufen als Grund-, Schwerpunkt- oder Maximalversorger eingestuft werden. Jetzt gehe es darum, die beste Krankenhausversorgung für die Regionen festzulegen, sagte Weil. Dabei dürfe nicht der Eindruck eines «Kahlschlags» entstehen, vielmehr gehe es um eine Verbesserung der medizinischen Qualität, betonte der Regierungschef. Der Ärzteverband Marburger Bund forderte auch mehr Medizinstudienplätze.

Flüchtlinge: Auch die anhaltende Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere aus der Ukraine, wird Land und Kommunen weiter vor Herausforderungen stellen - bei der Unterbringung, aber auch bei der Integration in Schule und Beruf. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt stellte Weil eine Reihe von Jobmessen für Ukrainerinnen und Ukrainer im ganzen Bundesland in Aussicht. Zu Jahresbeginn waren rund 110.000 Menschen aus der Ukraine in Niedersachsen.

Lehrermangel: Kommt die Vier-Tage-Woche an den Schulen? Die Ankündigung einer Grundschule im Ammerland hatte aufgeschreckt. Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) versicherte aber, dass das «mitnichten gewünscht» sei. Sie habe auch keine Kenntnis darüber, dass Schulen flächendeckend darüber nachdächten. Es sei jedoch klar, dass vereinzelter Unterrichtsausfall oder kurzfristige Notmaßnahmen derzeit nicht hundertprozentig zu verhindern seien, räumte Hamburg ein. Die von SPD und Grünen versprochene Anhebung der Lehrergehälter will die Regierung für das Jahr 2024 angehen, womöglich stufenweise.

Wohnungen: Beispielhaft dafür, dass viele von Rot-Grün geplante Investitionen wegen der Energiepreiskrise noch zurückstehen, steht die landeseigene Wohnungsgesellschaft, die erst Anfang 2024 ihre Arbeit aufnehmen soll. Doch bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper. Der Deutsche Gewerkschaftsbund etwa dringt daher auf eine schnelle Einrichtung der Landeswohnungsgesellschaft.

Energiewende: Den viel beschworenen «Turbo» für erneuerbare Energien will Rot-Grün auch dadurch zünden, dass bis auf Landkreisebene vorgegeben wird, wie viel Fläche für die Windkraft bereitgestellt werden muss. Diese Flächenziele hat Energieminister Christian Meyer (Grüne) auch schon präsentiert. Allerdings müssen sie noch gesetzlich fixiert werden - was zu Konflikten mit den Kommunen führen könnte. Die Industrie- und Handelskammern (IHKN) forderten eine Beschleunigung von Planungsverfahren. Der Grünen Jugend geht die Energiewende insgesamt nicht schnell genug, sie sprach sich unter anderem für ein «Gas-Ausstiegsszenario bis 2035» aus.

29-Euro-Ticket: Im Mai soll das deutschlandweite 49-Euro-Ticket kommen. Niedersachsen will mit einem landesweiten 29-Euro-Ticket für Schüler, Azubis und Freiwilligendienstler aber noch einen Schritt weitergehen. Wann es soweit ist, steht aber noch in den Sternen.

Polizei: Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und Grüne auch zu einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten bekannt - ein Thema, das nun vor allem die SPD-Jugendorganisation Jusos in den Blick nimmt. Mit der neuen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wolle man «endlich für eine echte Kennzeichnungspflicht bei der Polizei sorgen», sagte Juso-Landeschefin Ronja Laemmerhirt in ihrer 100-Tage-Bilanz.

Verfassung: Um ihre geplanten Verfassungsänderungen umzusetzen, etwa die Absenkung des Wahlalters, sind SPD und Grüne auf Unterstützung der Opposition angewiesen. Ob die CDU davon überzeugt werden kann, könne er noch nicht abschließend abschätzen, sagte Weil. Gerade mit dem Paritätsgesetz für eine Frauenquote im Landtag könnte es aber schwierig werden, ließ der Ministerpräsident durchblicken.

CDU-Landtagsfraktionschef Sebastian Lechner hat sich gegen eine zeitnahe Verfassungsänderung ausgesprochen. In diesem und im kommenden Jahr müsse man sich vorzugsweise um andere Themen kümmern, sagte Lechner. Dazu zählten etwa die Unterrichtsversorgung an Schulen oder die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Dies müssten die Prioritäten der Landesregierung sein, Verfassungsänderungen stünden nicht auf dieser Agenda.

© dpa
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