SPD und Grüne arbeiten an der Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte in Niedersachsen. Eine anonyme, aber individualisierte Kennzeichnung könne helfen, «das Vertrauensverhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern weiter zu stärken», heißt es aus dem Innenministerium. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die Pläne dagegen skeptisch und fürchtet, dass eine individuelle Kennzeichnung genau gegenteilig verstanden werden könnte, als ein Zeichen des Misstrauens gegenüber der Polizei.
Der Koalitionsvertrag von Rot-Grün sieht vor, dass die Kennzeichnungspflicht zunächst befristet für Polizeikräfte in geschlossenen Einsätzen eingeführt und dann evaluiert wird. Betroffen wären demnach vor allem Großeinsätze der Polizei, etwa bei Demonstrationen oder Sportveranstaltungen.
«Wir sind als Regierungsfraktionen in guten und vertrauensvollen Gesprächen mit der Innenministerin, aber auch mit Polizei und Polizeigewerkschaft, die Kennzeichnungspflicht im Sinne des Koalitionsvertrages einzuführen», sagte der Grünen-Innenpolitiker Michael Lühmann. Dafür nehme man sich die Zeit, die eine für alle Seiten gute und praktisch umsetzbare Regelung brauche.
Das Innenministerium betont, dass die geplante Kennzeichnung keinesfalls als Generalverdacht gegen die Polizei zu verstehen sei. Zudem erlaubten schon die bestehenden Regelungen es, Polizeikräfte «bei Bedarf zuverlässig und schnell identifizieren zu können».
Auch die GdP erklärt, dass sich der Personenkreis bei Polizeieinsätzen bereits «auf maximal fünf bis sechs Personen eingrenzen» lasse. «Uns sind bislang keine Fälle bekannt, in denen eine persönliche Identifizierung auf dieser Grundlage nicht möglich war», sagte ein GdP-Sprecher. Für eine Ausweitung der Kennzeichnung auf die persönliche Ebene bestehe demnach aus Gewerkschaftssicht keine Notwendigkeit. «Die GdP befürchtet vielmehr, dass die Einführung einer persönlichen Etikettierungspflicht durch die Kolleginnen und Kollegen sowie die Öffentlichkeit als Zeichen des Misstrauens in die Polizeibeschäftigten gewertet wird.»
Kritik kommt auch aus der Opposition. «Das Misstrauen von Rot-Grün gegen unsere Polizei spricht Bände. Die CDU vertraut unserer Polizei, es braucht keine Kennzeichnungspflicht», schrieb CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner auf Twitter. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dürfe einen Generalverdacht nicht zulassen. Auch die AfD lehnt eine Kennzeichnung der Polizisten ab. «Die Beamten und ihre Familien geraten dadurch in Gefahr. Das darf nicht sein», sagte AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe.
Das Ministerium will die Anpassung der bestehenden Regelungen dennoch prüfen. «Hieran knüpfen eine Vielzahl rechtlicher, organisatorischer und haushaltsrechtlicher Fragestellungen an, die im Laufe der Legislaturperiode betrachtet werden sollen.» Heißt: Ein Datum für die Pflicht gibt es noch nicht, und schnell wird es nicht gehen.
Druck macht jedoch die SPD-Jugendorganisation Juso. Sie hofft mit dem Führungswechsel im niedersächsischen Innenministerium von Boris Pistorius (SPD) zu Behrens auf neuen Schwung in der Sache. Man wolle mit der neuen Ministerin «endlich für eine echte Kennzeichnungspflicht bei der Polizei sorgen», sagte die Co-Chefin des Juso-Landesverbands, Ronja Laemmerhirt.
Denn schon 2016 hatten die Jusos zusammen mit der Grünen Jugend eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten in geschlossenen Einheiten gefordert. Damit solle sichergestellt werden, dass Fehlverhalten im Amt besser strafrechtlich verfolgt werden kann, hieß es damals. Auch im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2013 stand das Ziel bereits - wurde mit Innenminister Pistorius dann aber nicht umgesetzt.