Die steigenden Energiepreise und die daraus resultierenden höheren Nebenkosten sorgen bei Mietern in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend für Verunsicherung und Ängste. «Wir spüren das an einem zunehmenden Beratungsbedarf und vielen Eintritten in die regionalen Mietervereine», sagte der Vorsitzende des Mieterverbandes MV, Jochen Lansky, am Samstag am Rande des Landesverbandstages in Schwerin. Die Zahl der Mitglieder sei inzwischen landesweit auf rund 17.000 gestiegen.
Viele Mieter hätten bereits Schreiben zu höheren Abschlagszahlungen erhalten und fragten sich, ob dies statthaft sei. Es gebe keinen Rechtsanspruch darauf, sagte Lansky. Da aber Kostensteigerungen angesichts der Preisentwicklungen bei Gas und Strom unausweichlich seien, könnten mit höheren Abschlägen Nachzahlungen im vierstelligen Bereich vermieden werden. Darüber müsse im Einzelfall entschieden werden. «Die Energiepreise sind das Erdbeben vor der Küste. Der Tsunami mit drastisch steigenden Betriebskosten rollt erst auf uns zu», erklärte Lansky.
Der Verbandschef schloss sich Forderungen nach einem staatlich gewährleisteten Energiepreisdeckel an. Zudem sprach er sich für ein Kündigungsmoratorium für Mieter aus, die Betriebskostennachzahlungen nicht fristgerecht leisten können. Lansky begrüßte Pläne der Landesregierung, über eine Bundesratsinitiative den Schutz von Mietern zu verbessern, die mit der Mietzahlung in Rückstand geraten sind, diese aber innerhalb einer Zwei-Monats-Frist nachholen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) machte am Wochenende deutlich, dass auch sie eine Gesetzesänderung für nötig hält. «Wir brauchen bei ordentlichen Kündigungen wegen Mietrückständen die Möglichkeit, dass die fällige Summe bis zum Auszugstermin nachgezahlt werden kann, um die Wohnungskündigung wieder aufzuheben», sagte Geywitz der «Bild am Sonntag». Bislang gilt die sogenannte Schonfristzahlung nur bei fristlosen Kündigungen. Geywitz sagte weiter, im Entlastungspaket stehe eindeutig, dass über Anpassungen im Energierecht verhindert werden solle, dass Menschen ohne Strom und Gas dasäßen.
Innenminister Christian Pegel (SPD), der als zuständiger Ressortchef im Nordosten an der Jahrestagung des Mieterverbandes teilgenommen hatte, verwies auf die milliardenschweren Hilfspakete des Bundes. Diese kämen breiten Bevölkerungsschichten zugute, zudem werde der Kreis der Wohngeldbezieher erweitert. Der vom Bund in Aussicht gestellte Energiepreisdeckel für den Grundbedarf müsse zügig kommen. «Die Menschen brauchen jetzt schnelle Sicherheit», sagte Pegel.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Berlin hat sich bereits auf eine Strompreisbremse verständigt. Danach sollen Privathaushalte die Strommenge für einen Basisverbrauch zu einem vergünstigten Preis erhalten - ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen. Finanziert werden soll die Preisbremse mit Einnahmen aus einer Erlösobergrenze für Energieunternehmen. Eine Kommission soll nun Preisdämpfungsmodelle für Wärme entwickeln und im Oktober Ergebnisse vorlegen.
Lansky forderte von der Landesregierung Klarheit darüber, in welchem Umfang Mieter von dem 30 Millionen Euro umfassenden Härtefallfonds des Landes profitieren können, der auf dem Landes-Energiegipfel Mitte August beschlossen wurde. Die vom Land angekündigte Förderung sogenannter Balkonkraftwerke aus Solarpaneelen könne auf dem Weg zu klimaneutralen Wohnungen mit einem Gesamtfördervolumen von 10 Millionen Euro zudem nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.
Nachholbedarf sieht der Landesmieterbund auch beim Umbau zu barrierefreien Wohnungen. Der Bedarf wachse wegen der demografischen Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern mit einer immer älter werdenden Bevölkerung stark an. Um Sozialwohnungen möglichst energieeffizient und barrierearm oder barrierefrei zu bauen, müssten Bund und Länder die Förderung deutlich erhöhen, hieß es.
Unmittelbar vor dem Verbandstag des Mieterbundes hatte der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen staatliche Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten gefordert. «Nur so könnten hunderttausende Mieterinnen und Mieter sowie zahlreiche sozial orientierte Wohnungsunternehmen vor dem wirtschaftlichen Ruin gerettet werden», erklärte Verbandsdirektor Andreas Breitner. Durch den Anstieg der Heizkosten müssten in einigen Regionen Norddeutschlands Mieter mit geringem Einkommen schon mehr für Energie als für die Kaltmiete zahlen. «Das ist eine soziale Katastrophe und gesellschaftlicher Sprengstoff», betonte Breitner. Es müsse verhindert werden, «dass die Menschen sich zwischen einer warmen Wohnung und einem Lebensmitteleinkauf für die Familie entscheiden müssen».