Die Zahl der Rechtsextremisten ist im vergangenen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern laut Verfassungsschutz weiter gewachsen. Der jüngste Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Christian Pegel (SPD) am Donnerstag in Schwerin vorstellte, führt 1840 Rechtsextremisten und Rechtsterroristen auf, nach 1790 im Jahr davor und 1760 im Jahr 2020. Von ihnen seien 720 als gewaltorientiert eingestuft - 40 mehr als 2021. «In Mecklenburg-Vorpommern wie bundesweit ist der Rechtsextremismus unverändert die größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung», sagte Pegel.
Krisen sind nach Worten des Ministers ein Nährboden für Extremisten. Das sei 2022 deutlich geworden, als das Land mit den Ausläufern der Corona-Pandemie zu tun hatte und mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem in der Folge zeitweise drohenden Energiemangel eine neue Krise hinzukam. Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter sowie Delegitimierer des Staates hätten die Krisen aufgegriffen und versucht, Anschluss an die bürgerliche Mitte zu finden - «mit der Folge, dass in einigen Teilen der Gesellschaft die Abgrenzung zu Extremisten schwindet».
«Delegitimierer des Staates» sind eine noch junge Kategorie in der Betrachtung der Verfassungsschützer, die 2021 eingeführt wurde. Das Ziel dieser Menschen sei, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen und die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen, hieß es.
Laut Verfassungsschutz besitzen Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern 276 Schusswaffen. Weitere 26 Schusswaffen befänden sich im Besitz von Reichsbürgern und Selbstverwaltern sowie 21 in den Händen von Delegitimierern, so Pegel. Sein Ziel laute: Keine Waffe in den Händen von Extremisten. Doch das sei nicht so einfach umzusetzen.
Die Waffenbehörden der Kommunen würden informiert, sobald ein Waffenbesitzer als extremistisch eingestuft werde, sagte der Minister. Das heiße aber nicht, dass den Betreffenden ihre Waffen umgehend entzogen werden könnten. Vielmehr müsse ihnen, um ihnen die Waffenbesitzkarte wegnehmen zu können, nachgewiesen werden, dass sie unzuverlässig seien. Das sei juristisch in vielen Fällen nicht leicht.
Pegel schlug vor, dass künftig Waffenbesitzer nachweisen sollten, dass sie zuverlässig sind. Dabei könne als zuverlässig gelten, wer nicht beim Verfassungsschutz erfasst sei. Das seien 99,5 Prozent aller Waffenbesitzer. Wer beim Verfassungsschutz gelistet sei, müsse dann seine Zuverlässigkeit beweisen, so Pegel.
Die Zahl der Linksextremisten und Islamisten ist im Gegensatz zu jener der Rechtsextremisten zurückgegangen. Dem Linksextremismus wurden im vergangenen Jahr 430 Menschen zugeordnet. Im Jahr davor waren es 460 und 480 im Jahr 2020. 210 Linksextremisten wurden 2022 als gewaltorientiert eingeschätzt - ein Rückgang zu 2021 um 30 Personen.
Die gewaltbereite linksextremistische Szene beschränke sich hauptsächlich auf die Universtätsstädte Rostock und Greifswald, hieß es. Pegel erinnerte aber auch an einen Fall in Schwerin im vergangenen Jahr, als zeitgleich mit ähnlichen Attacken in Erfurt, Halle und Magdeburg in einem der rechten Szene zugeordneten Laden eine übelriechende Substanz ausgeschüttet wurde.
Als Grund für das fortgesetzte Schrumpfen der linksextremistischen Szene in MV vermuten die Verfassungsschützer die Klimaprotestbewegung als konkurrierendes Politikfeld. Sie sei für viele Jugendliche und junge Erwachsene attraktiver als die klassischen Themen der Linksextremisten. Die Klimaprotestbewegung ist den Angaben zufolge kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes MV.
Dem Islamismus rechnete der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr im Nordosten 170 Personen zu. Im Jahr davor waren es 200. Das Hauptaugenmerk der Verfassungsschützer liege in MV auf Einzelpersonen mit Bezügen zu terroristischen Strukturen, erläuterte Innenminister Pegel. Daneben erwähnte der Minister noch den «auslandsbezogenen Extremismus» mit rund 270 Personen in MV. Davon seien wie im Vorjahr 250 Mitglieder oder Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Sie ist in Deutschland seit 1993 verboten.