Wegen einer Vielzahl schlechter Ergebnisse wird das schriftliche Mathematik-Abitur in Mecklenburg-Vorpommern dieses Jahr einen Notenpunkt hochgewertet. Die Bearbeitungszeit der Aufgaben sei von Experten im Nachhinein als zu kurz eingeschätzt worden, sagte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) am Montag in Schwerin. Außerdem sei dieser Abiturjahrgang in der 10. Klasse wegen der Corona-Beschränkungen von Dezember bis Mai im Distanzunterricht gewesen. Das wirke sich nach Aussage der Experten gerade in Mathematik negativ aus. Den zusätzlichen Notenpunkt erhalten alle, die eine Mathe-Prüfung geschrieben haben, Grundkurs- ebenso wie Leistungskursschüler. Im Grundkurs gibt es laut Ministerium die Wahl zwischen schriftlicher und mündlicher Abi-Prüfung.
Oldenburg erklärte zugleich, dass es im Nordosten schon ab dem Kindergarten nachweisbare Mathe-Lücken gebe. Etwa 20 Prozent der Kinder schafften die Anforderungen nicht, und das ziehe sich dann in den Folgejahren weiter durch. «Wir haben ein Mathematik-Problem», schlussfolgerte die Ministerin und kündigte Maßnahmen dagegen an. So soll es künftig mehr Mathe-, aber auch Deutsch- und Englischunterricht in den Schulen des Landes geben.
Besonders in den Mathe-Grundkursen - davon gibt es zwei verschiedene - waren die schriftlichen Abi-Prüfungsergebnisse in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr in den Keller gerutscht. Die Prüfung gilt ab fünf Punkten als bestanden. Im Grundkurs mit wissenschaftlichem Taschenrechner (WTR) betrug der Durchschnitt 4,2 Punkte, im Grundkurs mit Computer-Algebra-System (CAS) sogar nur 4,0. Im Vorjahr lagen die Durchschnitte noch bei 5,6 beziehungsweise 4,9 Punkten.
Nach den schlechten Ergebnissen hatte eine Schülerin aus Wismar eine Online-Petition gestartet, die von mehr als 1000 Menschen unterschrieben wurde.
2021 war das Mathe-Abi wegen schlechter Ergebnisse sogar um zwei Notenpunkte angehoben worden und lag schließlich im Grundkurs bei 6,4 beziehungsweise 6,5 Punkten, im Jahr 2020 waren es 6,4 und 5,7 Punkte.
In den Mathe-Leistungskursen sehen die Ergebnisse etwas besser aus, liegen jedoch auch deutlich unter dem Schnitt des Vorjahres. Auch sie werden deshalb um einen Notenpunkt hochgewertet, wie Oldenburg erklärte. Im WTR-Leistungskurs betrug der Durchschnitt 6,6 Punkte nach 7,0 im vergangenen Jahr, 9,4 im Jahr 2021 nach Hochwertung um zwei Punkte und 9,3 Punkten 2020.
Im CAS-Leistungskurs wurden dieses Jahr im Schnitt ebenfalls 6,6 Punkte erreicht nach 7,7 in 2022, 8,0 in 2021 und 8,4 im Jahr 2020. Alle Prüflinge hatten als Corona-Ausgleichsmaßnahme eine halbe Stunde mehr Zeit für die Lösung der Aufgaben bekommen. Die Auswertung der Ergebnisse ist Oldenburg zufolge vorläufig, da noch nicht alle Ergebnisse von allen Schulen vorliegen.
In den anderen Hauptfächern fielen die Abi-Ergebnisse den Angaben zufolge besser aus und unterschieden sich kaum von denen vergangener Jahre. So wurden im Deutsch-Grundkurs im Schnitt 8,4 Punkte erreicht nach 8,6 im Vorjahr, im Deutsch-Leistungskurs 8,9 nach 9,0. Im Englisch-Grundkurs lag der Schnitt wie 2022 bei 8,8 Punkten und im Englisch-Leistungskurs bei 9,9 nach 10,3.
Nach Oldenburgs Worten sind die Leistungen in Mathematik seit 2009 in Mecklenburg-Vorpommern «dramatisch» abgefallen, während dies in anderen Fächern nicht zu beobachten sei. 20 Prozent der Teilnehmer am schriftlichen Mathe-Abi hätten dieses Jahr null Punkte bekommen. Oldenburg und auch der Philologenverband des Landes nahmen die Lehrer gegen mögliche Kritik in Schutz. Sie leisteten gute Arbeit, betonte Oldenburg. Seitens des Landes würden nun Maßnahmen ergriffen, um die Mathe-Leistungen zu verbessern.
So soll es ab dem Schuljahr 2024/25 mehr Mathe-, Deutsch- und Englischunterricht in den Grund- und weiterführenden Schulen geben. Die Wochenstunden im Mathe-Grundkurs der gymnasialen Oberstufe (ab Klasse elf) sollen von drei auf vier erhöht werden. Außerdem sollen die Lehrpläne überarbeitet werden. Zudem soll eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Aufgaben im Mathe-Abi eingeführt werden - so wie es etwa beim Deutschaufsatz Tradition ist. Zuvor hatte Oldenburg bereits die Überlegung geäußert, dass möglicherweise nicht mehr zwingend eine Mathe-Prüfung im Abitur abgelegt werden solle. Dies werde bereits in elf der 16 Bundesländer so gehandhabt. Dieser Vorstoß stieß jedoch auf Kritik.
Die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte, dass die Hochwertung sehr spät erfolgt sei. Teilweise seien die Zeugnisse bereits übergeben, zumeist schon gedruckt worden, meinte der GEW-Landesvorsitzende Nico Leschinski. Die Hochwertung könne im Einzelfall auch zu einer Neuansetzung von Prüfungen führen.