Die Bildungspolitik der rot-roten Landesregierung steht erneut in der Kritik. Die oppositionellen Grünen im Schweriner Landtag warfen Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) vor, den durch die Corona-Pandemie verursachten Lernrückständen vieler Schüler ohne erkennbare Strategie entgegenzuwirken. Ihr Ministerium verlasse sich bei der Festlegung von Hilfsmaßnahmen auf Stimmungsbilder aus einzelnen Schulen statt auf flächendeckend erhobene Fakten. «Mecklenburg-Vorpommern hat damit nicht nur den jüngsten IQB-Bildungstrend verschlafen, sondern auch kein einziges standardisiertes Instrument eingesetzt, um die individuellen Lernstände der Schüler und Schülerinnen im Land zu prüfen», konstatierte am Dienstag in Schwerin die Grünen-Abgeordnete Jutta Wegner.
Sie berief sich dabei auf die zehnseitige Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Umsetzung des Bund-Länder-Programms «Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche». Dafür hätten 22 Millionen Euro an Bundesmitteln und 1,75 Millionen Euro von Land bereitgestanden. «Das Land verteilte die öffentlichen Mittel, ohne die Bedarfe zu kennen, ohne Fahrplan und ohne begleitende Evaluation», beklagte Wegner. Eine belastbare Datenbasis, die Lernrückstände konkret aufzeige, fehle. Stattdessen würden laut Ministerium Rückmeldungen und Einschätzungen einzelner Schulen und Lehrer als Grundlage für die Mittelaufteilung verwendet. Wie aus der Antwort hervorgeht, wurden mit dem Geld aus dem Programm bislang etwa 480 Lehramtsstudenten und pensionierte Lehrer finanziert, die Nachhilfe gaben.
Wegner kritisierte zudem, dass bislang keine konkreten Maßnahmen und Programme vorlägen, um die Schüler abseits der Corona-Pandemie im nächsten Schuljahr gezielt zu unterstützen. «Die gefühlte Wahrheit, nach der Ministerin Oldenburg agiert, verhindert, dass unsere Kinder und Jugendlichen nach dieser schweren Zeit adäquat und bedarfsgerecht unterstützt werden», sagte Wegner. Andere Bundesländer hätten gezeigt, wie auf Basis einer fundierten Datenerfassung gezielte Maßnahmen zur Beseitigung von Lernrückständen umgesetzt werden können.
Kritik kam auch von der AfD-Fraktion. Sie verwies auf Erhebungen des Statistischen Landesamtes, wonach die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss von 646 im Vorjahr auf 846 zugenommen habe. Diese Entwicklung deute auf ernste Defizite hin. «Mindestens die Hürden zur Erlangung der Berufs- und Mittleren Reife sind nicht so hoch, dass Hunderte Schüler sie nach zehnjährigem Schulbesuch reißen müssten, zwei Drittel davon junge Männer», konstatierte der AfD-Abgeordnete Enrico Schult. Er forderte, das Verantwortungsvermögen, die Ausdauer und die Leistungsbereitschaft der Jugendlichen zu stärken, wieder mehr zu fordern, auch Selbstdisziplin. «Unser Land kann es sich in Zeiten signifikanten Fachkräfte-Mangelns nicht leisten, jährlich Hunderte Schüler versagen zu sehen», erklärte Schult.