Aus Sicht des Bildungsministeriums in Schwerin sollen Schülerinnen und Schüler das freiwillige Wiederholen von Klassen als Chance sehen. Wer durch die Bedingungen der Corona-Pandemie Lernlücken angesammelt habe, könne durch Wiederholen sicherstellen, dass er einen Schulabschluss erlange, sagte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) am Donnerstag in Schwerin. Da viele Schüler oder ihre Eltern dies offensichtlich genauso beurteilten, habe das Land im Bundesländer-Vergleich die höchste Quote an Sitzenbleibern.
Kay Czerwinski, Vorsitzender des Landeselternrats und Vertreter des «Bündnisses für gute Schule», gab zu bedenken, dass bei Eltern eine hohe Unsicherheit herrsche, auf welchem Lernstand ihr Kind derzeit sei. Die hohe Zahl an freiwilligen Wiederholungen ist seiner Darstellung nach auch eine Absicherung.
Der Ministerin zufolge sind 4345 von insgesamt 5836 Klassenwiederholungen am Ende des Schuljahres 2021/22 auf eine freiwillige Entscheidung zurückzuführen. Zum Ende des vergangenen Schuljahres wiederholten den Ministeriumsangaben nach 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Nordosten die Jahrgangsstufe - 3,7 Prozent freiwillig und 1,3 Prozent, weil sie mussten. Zwei Jahre zuvor hätten 1,3 Prozent freiwillig und 1,7 Prozent unfreiwillig den Jahrgang wiederholt.
Nach Ansicht von Oldenburg waren die Kinder die Verlierer der Pandemie. Deswegen werde alles getan, um die Folgen zu begrenzen. So werde das freiwillige Wiederholen eines Jahrgangs nicht auf die geltende Zeitbegrenzungen beim Schulbesuch angerechnet. Außerdem gebe es alternative Angebote wie «Produktives Lernen» und «Berufsreife dual», die je nach Programm versuchten, den Schülern mehr Zeit, mehr Praxisanteil oder mehr Betreuung zu bieten. Diese Angebote gibt es nach Angaben der Ministerin an der Hälfte der Schulen im Land.
In Zukunft sollen die Eltern nach Worten von Oldenburg zudem früher über Probleme in der Schule informiert werden - am 30. November und nicht erst im April. Dadurch soll die Möglichkeit gegeben werden, sich rechtzeitig für eine etwaige Förderung anzumelden.
Um die Folgen des Lehrermangels zu lindern, soll auch weiter auf Hilfskräfte gesetzt werden, wo dies Sinn ergebe. «Es sind nicht genügend zusätzliche Lehrer da, um die Lücken zu schließen», so die Ministerin. Deshalb sei es auch nicht möglich, die bisherige Unterrichtsbelastung abzusenken.
Die Opposition im Landtag ist von den Erklärungen nicht überzeugt. Aus Sicht der CDU ist nicht die Pandemie, sondern fehlende Lernstandserhebungen und Schlüsse daraus der Grund für die Lernlücken bei den Schülerinnen und Schülern. Die FDP schlägt vor, für eine bessere Schulbildung an den Gesamt- und Regionalschulen zu sorgen, um die - auch vor der Pandemie - hohe Wiederholer-Quote anzugehen. Die AfD plädiert derweil unter anderem für den Erhalt der Förderschulen und veränderten Zugangsregeln für das Gymnasium, um das dortige Niveau zu sichern.