Abgesperrt und durch jahrzehntelangen Verfall geprägt soll das Sauerstoffwerk in Peenemünde in den kommenden Jahren saniert und wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Beim Historisch-Technischen Museum (HTM) sieht man die Pläne nach dem Kauf durch die Firma Terraplan im vergangenen Jahr positiv. «Wir sind ja notorisch optimistische Menschen», sagte der wissenschaftliche Leiter des HTM, Philipp Aumann, der Deutschen Presse-Agentur.
Das Sauerstoffwerk ist neben dem dortigen Kraftwerk laut Landesamt für Kultur und Denkmalpflege (LAKD) MV der einzige erhaltene Monumentalbau der Versuchsanstalt Peenemünde. Hierbei handele es sich um den «größten militärisch-industriellen Forschungskomplex des nationalsozialistischen Deutschlands».
In Peenemünde wurde am weltweit ersten Marschflugkörper und an der ersten funktionierenden Großrakete gearbeitet. Die sogenannten Vergeltungswaffen wurden auch von KZ-Häftlingen gebaut und forderten zahlreiche Opfer. Gleichzeitig gilt der Ort als eine Wiege der Raumfahrt. Im Sauerstoffwerk wurde unter großem Einsatz von Ressourcen Flüssigsauerstoff als Raketentreibstoff hergestellt. Zeitweise wollte die Landesregierung die NS-Hinterlassenschaften in Peenemünde auf Usedom für das Unesco-Weltkulturerbe vorschlagen.
Terraplan will in dem 70 Meter langen, 20 Meter hohen und 20 Meter breiten Bau Ferienwohnungen und Wohnungen, aber auch öffentlich zugängliche Räume und eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem HTM unterbringen. Das LAKD schätze eine Nutzung mit Schwerpunkt Wohnen und Erholen kritisch ein, hieß es. Deshalb sei ein denkmalpflegerisches Leitbild mit dem Investor abgestimmt worden.
Dieser hat Erfahrung mit NS-belasteten Orten. Terraplan hat unter anderem das Olympische Dorf der Spiele von 1936 umgestaltet und wurde dafür ausgezeichnet. Projektleiter Jan Hannes Müller schwärmte geradezu vom Sauerstoffwerk. Der fünfschiffige Aufbau mit erhöhtem Mittelschiff ähnele einer Basilika. Die Dimensionen seien gigantisch.
Geplant sei, das Mittelschiff offen und für die Öffentlichkeit zugänglich zu lassen. Hier solle es auch die Ausstellung geben. In den Seitenschiffen sollen Wohnungen und Ferienwohnungen entstehen - in Modulbauweise aus Holz, die sich klar vom historischen Bau abgrenze. Von außen solle die Umnutzung nicht zu sehen sein.
Bis zur Fertigstellung werde es mindestens viereinhalb Jahre dauern. Die Kosten dürften enorm sein. Laut Müller werde die Kalkulation nach und nach präzisiert. Allein die Entsorgung der Schadstoffe - die Ruine sei Jahrzehnte als Deponie genutzt worden - schätzt er auf fast eine Million Euro. «Das hab ich auch noch nicht gehabt.»
Unabhängig vom Sauerstoffwerk äußerte Historiker Aumann Sorgen hinsichtlich der zunehmenden Bebauung in der Region, etwa wegen eines geplanten Gesundheitsparks oder der wachsenden Feriensiedlung im Norden von Karlshagen: «Alles was da gebaut wird, zerstört natürlich Fundamente der ehemaligen Werkssiedlung.» Man könne nicht einfach Hektar um Hektar wegnehmen. Neben der Ausstellung des HTM seien die umliegenden Ruinen entscheidend. Die Größe und Komplexität der Anlage erkennbar zu halten, sei wichtig. Vom LAKD hieß es, wegen der schieren Größe des Areals müssten denkmalpflegerische Schwerpunkte gesetzt werden.