Die vom CDU-Bundespolitiker Jens Spahn eröffnete Diskussion um ein Ende der vorgezogenen Rente für Menschen mit 45 Berufsjahren hat am Mittwoch auch im Landtag in Schwerin für eine kontroverse Debatte gesorgt. Die Aussage Spahns, die Rente mit 63 koste Wohlstand, sei empörend und unverschämt, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Das stoße Menschen vor den Kopf, die 45 Jahre lang gearbeitet und in das solidarische System eingezahlt haben. Es sei gefährlich, die Menschen beim Thema Rente mit immer neuen Debatten zu verunsichern: «Wer die Rente angreift, greift Solidarität und Verlässlichkeit in unserer Demokratie an», sagte Schwesig. Ähnlich äußerten sich Redner von Linke und Grünen.
Der CDU-Abgeordnete Daniel Peters wies die Kritik zurück und warf der SPD vor, kein Konzept zu haben, wie die gesetzliche Rente angesichts der demografischen Entwicklung in Zukunft gesichert werden solle. Die Zahl der Rentner wachse schneller als die der Beitragszahler. Der Staat müsse schon jetzt 100 Milliarden Euro Steuergeld zuschießen, um das Rentensystem stabil zu halten. «Wir brauchen eine wirkliche Debatte, wie wir die Rente sicher machen und langfristig finanzieren», sagte Peters. Die CDU stelle sich dem Thema, Spahns Vorschlag sei dabei nur ein Aspekt. Fraktionschef Franz-Robert Liskow äußerte sich kritisch zur Themenwahl der Aktuellen Stunden: «Rot-Rot hat genug eigene Baustellen, die es zu bewältigen gibt», sagte er.
Redner mehrerer Fraktionen erneuerten die Forderung, dass auch Selbstständige, Beamte und Politiker in die gesetzliche Rente einzahlen sollen. Der AfD-Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes warf SPD und CDU vor, notwendige Reformen über Jahre versäumt zu haben.
Barbara Becker-Hornickel von der FDP forderte mehr Mut, auch Aktien stärker für die Rentenfinanzierung zu nutzen, wie es etwa in Schweden erfolgreich praktiziert werde. «Es ist die typische German Angst vor etwas Neuem», beklagte die FDP-Politikerin. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen des demografischen Wandels müsse der kapitalgedeckte Teil der Altersvorsorge erhöht werden, sagte sie. Steffi Pulz-Debler von der Linksfraktion sprach sich für die Stärkung des bestehenden Rentensystems aus, indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder paritätisch an der Finanzierung beteiligt werden.
In der Debatte verwies Schwesig auch darauf, dass die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West nun nach jahrelangem Ringen endlich zum 1. Juli erfolge. Der Beschluss dazu werde am Freitag im Bundestag gefasst. «Die Rentenangleichung kommt jetzt. Gleiche Renten in Ost und West sind überfällige Gerechtigkeit», sagte Schwesig. Dies sei auch ein wichtiger Schritt hin zur sozialen Einheit Deutschlands. Ein wichtiger Baustein zur Gerechtigkeit sei zudem die 2021 eingeführte Grundrente, die in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 70.000 Rentnerinnen und Rentner bekommen könnten. «Niemand soll nach einem Leben voller Arbeit zum Sozialamt gehen müssen und auf Grundsicherung angewiesen sein», sagte Schwesig.