Trotz steigender Arbeitslosenzahlen sieht die Agentur für Arbeit einen robusten Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern. Wie die Regionaldirektion Nord am Dienstag mitteilte, lag die Zahl der Menschen ohne Job im Dezember bei 62.000 und damit 8,5 Prozent über dem Vorjahres- und 3,7 Prozent über dem Vormonatswert. Die Quote lag bei 7,6 Prozent und damit 0,3 Punkte höher als im November.
Hintergrund der Entwicklung ist laut dem Leiter der Regionaldirektion, Markus Biercher, insbesondere der Übergang der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in die Grundsicherung. Seit Mitte 2022 beziehen sie Hartz IV, das jetzt Bürgergeld heißt, und werden damit im Arbeitsmarktsystem erfasst. Biercher zeigte sich daher entspannt. Der statistische Einfluss der Flüchtlingsbewegung wird im Juni entfallen.
Nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums sind in Mecklenburg-Vorpommern im Moment 4430 Menschen aus der Ukraine auf Arbeitssuche. Staatssekretär Jochen Schulte zufolge fördert das Land die Jobsuche mit einem Sonderprogramm im Umfang von fünf Millionen Euro: «Uns ist eine schnelle Arbeitsmarktintegration wichtig, denn wir brauchen die Fachkräfte für ein solides Wachstum der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern». Er betonte zudem, wie wichtig die Anerkennung von Abschlüssen ist.
Beim Thema Kurzarbeit sieht die Arbeitsagentur keinen Grund zur Sorge: Nach den aktuellsten Daten vom September haben 397 Beschäftigte in 40 Betrieben kurzgearbeitet. 164 Betriebe hätten zudem im Dezember für 2706 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. Die hohe Zahl der Anzeigen sieht Biercher vor allem als Risikovorsorge der Unternehmen. Als Beispiel nannte er die veränderte Corona-Politik der chinesischen Regierung, die die Lieferketten belasten könnte. Ob diese Belastung jedoch real werde, zeige sich später. Zusammenfassend sagte er: «Im Vergleich zu dem, was wir während der Pandemie hatten, ist das nichts».
Nach wie vor herrsche eine gewisse Verunsicherung bezüglich der Auswirkungen der Energiepreise auf die Nachfrage, unter anderem im Gastgewerbe, hieß es.
Sonst ist die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Nordosten aus Sicht der Arbeitsagentur saisontypisch, mit einer Ausnahme: Die ungewöhnlich hohen Temperaturen haben laut Biercher einen spürbaren Effekt auf die Personalnachfrage am Bau. «Die Witterungslage ermöglicht ein Durcharbeiten», sagte er. Der hohe Bedarf an Arbeitskräften sei jedoch auch dem allgemeinen Fachkräftemangel geschuldet.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten blieb den jüngsten Daten vom Oktober zufolge mit 587.300 zum Vorjahresmonat nahezu unverändert. Demnach gab es unter anderem Rückgänge im verarbeitenden Gewerbe. Dagegen stieg die Zahl der Arbeitnehmer im Gesundheitsbereich, in wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie in der Verwaltung.
Seinen Fokus legte der Chef der Regionaldirektion vor allem auf ältere Arbeitslose. Hier sieht er ein ungenutztes Potenzial für Fachkräfte: «Ältere Beschäftigte werden zwar länger gehalten, jedoch kaum neu eingestellt, wenn sie einmal arbeitslos geworden sind.» Im Moment sind 8600 Menschen ab 60 Jahren arbeitslos gemeldet. 80,9 Prozent von ihnen haben einen Berufsabschluss. Damit liege die Fachkräftequote in dieser Altersgruppe deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 58,5 Prozent. Besonders viele verfügbare ältere Facharbeiter gebe es im Nordosten in den Büro- und Verwaltungsberufen mit 600 und dem Einzelhandel mit 350 Personen auf Arbeitssuche.
Aus Sicht Bierchers sollten Klischees über ältere Beschäftigte wie mehr Krankheitstage oder geringere Leistungsfähigkeit abgelegt werden. Diese seien widerlegt. Die ältere Generation sei um ein Vielfaches leistungsfähiger als früher und verfüge über viel Berufs- und Lebenserfahrung. Biercher stellte zudem als positiv heraus, dass Ältere weit weniger durch familiäre Verpflichtungen gebunden seien.
Auch der Arbeitsmarktexperte der Linksfraktion, Henning Foerster, betonte die Bedeutung der Fachkräftesicherung: «Ohne eine ausreichende Anzahl von Arbeits- und Fachkräften wird es keine Ansiedlungen im Land geben, und viele bestehende Unternehmen werden Probleme mit ihrem Fortbestand bekommen.» Neben den Potenzialen bei älteren Arbeitslosen und der Senkung des Anteils von Jugendlichen ohne Abschluss sieht er die Anwerbung und Integration ausländischer Fachkräften als notwendig an.