Der Rettungsdienst findet die pflegebedürftige Frau in desolatem Zustand vor, einen Tag später stirbt die an Demenz erkrankte 94-Jährige in einem Krankenhaus: Wegen ihres Todes stehen seit Freitag die 62 Jahre alte Tochter sowie der 26 Jahre alte Enkelsohn vor dem Landgericht Frankfurt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gemeinschaftlichen Totschlag durch Unterlassen vor.
Am ersten Verhandlungstag räumte die 62-Jährige die Vorwürfe weitgehend ein und erklärte, mit der Pflege überfordert gewesen zu sein. Auch ihr Sohn legte unter Tränen ein Geständnis ab. Er sei «fassungslos und erschüttert» über die Vorwürfe. «Wir haben mit der Pflege komplett versagt und tragen deshalb die volle Verantwortung», sagte der 26-Jährige, der seiner Einlassung zufolge mit den Großeltern eine glückliche Kindheit und Jugend verlebt hatte.
Die Seniorin war 2015 in die Wohnung der Tochter in Steinbach im Hochtaunuskreis gezogen. Seither verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand stetig. In den Wochen vor ihrem Tod sei die Demenz so weit fortgeschritten gewesen, dass sie die Tochter und den Enkel nicht mehr erkannt habe, sagte der 26-Jährige. Gleichwohl habe man sie unter keinen Umständen in ein Heim geben wollen: «Wir wollten unsere Überforderung einfach nicht wahrhaben und haben die Augen davor verschlossen.»
Rettungssanitäter waren schließlich im Oktober 2019 in die verwahrloste Wohnung der Tochter gerufen worden und fanden die 94-Jährige in besorgniserregendem Zustand vor.
Weil die beiden Angeklagten nicht in Haft waren und die Schwurgerichtskammer mit Haftsachen überlastet war, zog sich das Verfahren über Jahre hin. Das Gericht hat zunächst vier Verhandlungstage bis Ende Juli terminiert. Gegenstand des Prozesses wird dabei auch ein ausführliches rechtsmedizinisches Gutachten sein.