Kontroverse Debatte im Landtag über geleakte NSU-Berichte

Die Veröffentlichung geheimer Verfassungsschutz-Akten erhitzt in Hessen weiter die Gemüter. Die Reaktionen im Landtag reichen von Beifall bis hin zu deutlicher Kritik.
Blick in den Plenarsaal des Landtags von Hessen. © Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Die Veröffentlichung geheimer Akten des hessischen Verfassungsschutzes zu der rechten Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) sind im hessischen Landtag kontrovers diskutiert worden. Der auf das Jahr 2014 datierte Bericht war von der Plattform «Frag den Staat» und dem «ZDF Magazin Royale» von Jan Böhmermann ins Internet gestellt worden. Vertreter der oppositionellen Fraktionen von SPD und Linken warfen der Landesregierung am Mittwoch in Wiesbaden mangelnde Transparenz vor und forderten eine Überprüfung von Geheimhaltungsfristen.

Seiner Meinung nach könnten zumindest Teile der NSU-Akten veröffentlicht werden, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph. «Der Bericht zeichnet ein desolates Bild des Landesamtes für Verfassungsschutz, das über weite Strecken organisatorisch, technisch und fachlich nicht in der Lage war, seine Aufgabe wahrzunehmen.»

Die sogenannten NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sind das Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum «Nationalsozialistischen Untergrund» untersucht hatte. Um sie gibt es seit Jahren Streit. Die Akten waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert.

Der NSU hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die Gruppe wurde 2011 bekannt,

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Holger Bellino, sah durch die Veröffentlichung des Berichts rechtliche und ethische Grenzen überschritten. «Für diesen Tabubruch habe ich keinerlei Verständnis.» Die Anlagen zum Bericht ließen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Informanten der Sicherheitsbehörden zu.

«Dadurch können nicht nur die Arbeit der Sicherheitsbehörden nachhaltig erschwert, sondern schlichtweg auch Menschenleben gefährdet werden», warnte Bellino. Auch Innenminister Peter Beuth (CDU) betonte, «dass rechtswidriges Offenlegen von sicherheitsbehördlichen Unterlagen dem Rechtsstaat Schaden zufügt».

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner sagte, Geheimhaltung könne zwar Misstrauen schüren. Der Vorwurf der «Vertuschung» sei jedoch im Fall der NSU-Akten unbegründet - und dies wisse auch jeder, der im Rahmen des NSU-Untersuchungsausschusses die Papiere habe lesen können.

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Torsten Felstehausen, erklärte, es sei gut, dass durch die Veröffentlichung der NSU-Akten nun jeder und jede diese Berichte lesen könne. «Missstände dieses Ausmaßes müssen öffentlich debattiert werden können und gehören nicht in verschlossene Aktenschränke.»

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Müller, sagte: «Die vollständige Veröffentlichung der Akten schadet dem Rechtsstaat, denn es ist nicht auszuschließen, dass Extremisten durch die Verknüpfung von Informationen Rückschlüsse auf Arbeitsweise und Informanten der Sicherheitsbehörden ziehen können.» Transparenz sei wichtig, aber nicht um den Preis der Gefährdung des Staatswohls, sagte Müller.

Der AfD-Abgeordnete Dirk Gaw kritisierte, die mangelnde Transparenz der Landesregierung im Umgang mit den NSU-Akten schade dem Vertrauen in den Rechtsstaat. Die illegale Weitergabe geheimer Informationen allerdings könne Dritte gefährden.

© dpa
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