Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) hat eine einmonatige Speicherfrist für IP-Adressen vorgeschlagen, um den Kampf gegen Kindesmissbrauch zu verstärken. Dieser Zeitraum wäre kurz genug, um den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu entsprechen, und auch kürzer als in vielen anderen europäischen Ländern, sagte er am Dienstag im Landtag in Wiesbaden. Ein Monat wäre aber lang genug, um «deutlich mehr Ermittlungserfolge» bei Kindesmissbrauch zu ermöglichen.
Poseck ergänzte in einer Regierungserklärung zum Thema «Pakt für den Rechtsstaat» in der letzten Plenarwoche vor der parlamentarischen Sommerpause: «Wir sind es den Kindern schuldig, dass wir dem Interesse an der Aufklärung dieser schrecklichen Verbrechen den Vorrang im Verhältnis zum Datenschutz einräumen.» Laut einer Studie des Bundeskriminalamts (BKA) könnten nach Worten des Christdemokraten bei einer einmonatigen Speicherung von IP-Adressen weitaus mehr zunächst unaufgeklärte Taten doch noch aufgeklärt werden.
IP-Adressen sind Nummern, die Computern für eine bestimmte Zeit zugewiesen werden. Sie können Ermittlern Hinweise liefern, wer etwas digital verschickt hat. «Gleichzeitig ist die Verwertung der Verbindungsdaten zweifellos auf die Bekämpfung schwerster Kriminalität zu begrenzen», betonte der Minister weniger als drei Monate vor der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober. Nur so lasse sich der EuGH-Entscheidung des vergangenen Jahres Rechnung tragen.
Bei dem 2022 von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) angekündigten «Pakt für den Rechtsstaat» geht es um eine Stärkung der Justiz mit Investitionen in deutlich mehr Personal, die Einführung der elektronischen Akte, Baumaßnahmen und Präventionsprojekte.
Der Ankündigung von Bundesinnenministerin und Hessens SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser, bei einem Wahlsieg in Hessen eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen häusliche Gewalt einrichten zu wollen, erteilte Poseck eine Absage. Eine solche Zentralisierung könne etwa bei seltenen umweltstrafrechtlichen Ermittlungen sinnvoll sein, nicht aber bei täglichen Verfahren häuslicher Gewalt. Hier komme es auf Schnelligkeit und Kenntnisse örtlicher Gegebenheiten an.
Erneut sprach sich der Justizminister im Kampf gegen häusliche Gewalt für den Einsatz elektronischer Fußfesseln und damit einer verstärkten Überwachung von Kontaktverboten aus. Dies bedeutete erheblich mehr Sicherheit für gefährdete Frauen. Verstöße gegen Kontaktverbote fielen so sofort auf - in der Regel könnte noch rechtzeitig reagiert werden.
Die elektronische Akte werde bisher in 29 Gerichten in Hessen verwendet, ergänzte Poseck. Das gesetzlich vorgegebene Ziel ihrer vollständigen Einführung in der Justiz bis Ende 2025 solle erreicht werden. Beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz sei Hessen führend. «Das Projekt «Frauke» beim Amtsgericht Frankfurt, das Künstliche Intelligenz in Massenverfahren, nämlich Fluggastrechteverfahren, einsetzt, wird deutschlandweit beachtet und ausgezeichnet», sagte er. In den nächsten Wochen starte beim Landgericht Frankfurt ein weiteres KI-Projekt für Massenverfahren.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gerald Kummer, warf der Landesregierung «Flickschusterei in der Organisation der hessischen Justiz» vor. Es seien hohe Investitionen und umfassende Reformen erforderlich, um die Missstände zu beheben. Ulrich Wilken von der Linksfraktion sagte, er erkenne «unumwunden» an, dass Poseck seit seinem Amtsantritt vor 14 Monaten vieles auf dem Weg gebracht habe - was jedoch vorher liegengeblieben sei. Es hätte viel früher etwas gegen die Überlastung der Justiz geschehen müssen.