Personalengpässe und eine im Vergleich zu anderen Bundesländern schlechtere Bezahlung stellen die Polizei in Hessen nach Angaben des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor Herausforderungen. «Wir sind gut beraten, die innere Sicherheit auch als solche zu begreifen und da auch ein Stück personell nachzulegen», sagte der GdP-Landesvorsitzende Jens Mohrherr.
Die Belastungen seien nicht nur im ganz normalen Alltag spürbar oder bei den zahlreichen Demonstrationseinsätzen etwa im Zusammenhang mit der Corona-Politik im Frühjahr, sondern auch dort, wo Polizisten einen besonders herausfordernden Einsatz haben. «Wir haben 330 Kollegen, die Kinderpornografie bekämpfen. Wir bräuchten das doppelte Personal», sagte Mohrherr. «Wir können den Kollegen keine Rückzugsräume oder Präventionskur anbieten, weil wir das Personal nicht haben. Da muss dringend was passieren.»
Die Gewerkschaft strebe zudem an, dass bei der Bezahlung ein ähnliches Niveau erreicht werde wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. «Das Ringen um die besten Köpfe führt nicht unbedingt dazu, dass Hessen die besten Kandidaten kriegt, die landen dann aufgrund der Besoldung vielleicht in Bayern, Rheinland-Pfalz, Thüringen oder Nordrhein-Westfalen», sagte Mohrherr. Doch auch Beschäftigte im Polizeidienst, die keine Beamten seien, seien häufig unterbezahlt für ihre Tätigkeit. «Man stellt nicht das Geld bereit, damit sie höher gruppiert werden und ihre Arbeitsverträge quasi an die Realität anpasst - und das ist eine Riesensauerei.»
Dieser Aussage widersprach am Samstag ein Sprecher des hessischen Innenministeriums. «Die Hessische Landesregierung hat die Innere Sicherheit mit Rekordinvestitionen gestärkt - davon hat an allererster Stelle die hessische Polizei profitiert», betonte Ministeriumssprecher Markus Gerngroß. Diese Investitionen hätten «einen historischen Personalaufbau bei der Polizei ermöglicht, wie es ihn in der Geschichte Hessens noch nie gegeben hat.»
Bereits im Jahr 2022 seien mehr als 15.270 Polizistinnen und Polizisten in Hessen im Einsatz, 2025 würden es mit mehr als 16.000 Beamtinnen und Beamte sein und damit so viele wie noch nie in der Geschichte des Landes Hessen. «Im Vergleich zum Jahr 2014 und dem Beginn des Personalaufbaus beträgt das Stellenplus 2025 dann fast 20 Prozent», sagte Gerngroß. In den nächsten drei Jahren würden jährlich rund 250 fertig ausgebildete Polizeivollzugsbeamte zusätzlich den Personalbestand verstärken. Zudem werde die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in Hessen in den kommenden zwei Jahren um rund acht Prozent ansteigen. Die Kritik der Gewerkschaft bilde nicht die Realität ab, so der Sprecher.
Gerade die beiden zurückliegenden Corona-Jahre seien eine «Riesenherausforderung» für die Polizei gewesen - sei es bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen, sei es beim Einsatz auf Demonstrationen, sagte Mohrherr über die Einsatzbelastungen in der Pandemie. Die Polizistinnen und Polizisten seien «immer zwischen die Mühlsteine geraten mit den Corona-Leugnern und denen, die sich daruntermischten, die den Staat und seine Demokratie ablehnen.»
Zudem habe der Polizistenmord in Kusel in Rheinland-Pfalz auch bei der Polizei in Hessen Ende Januar 2022 für Entsetzen gesorgt. Damals sei klar geworden, «aus welchen Nichtigkeiten und niedrigen Beweggründen zwei Menschen aus dem Leben gerissen wurden», sagte Mohrherr. Er fürchte: «Die Gesellschaft erodiert so langsam, das mag was mit Corona oder Existenzängsten zu tun haben.»
Angesichts der immer wieder vorkommenden Angriffe auf Einsatzkräfte wünschte sich Mohrherr, dass die Justiz das Strafmaß mehr ausschöpfte. «Damit wären schon mal Signale gesetzt, um möglicherweise Nachahmungen im Keim zu ersticken. Nicht jeder Richter fällt ein Urteil, wie man es aufgrund des Strafgesetzes auch fällen kann», sagte Mohrherr. Er befürchte, dass bei der Veröffentlichung der nächsten Kriminalstatistik ein weiterer Anstieg der Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte angezeigt werde. «Das macht uns große Sorgen.»