Mehr Nachfrage nach muslimischen Bestattungen

Früher wurden verstorbene Muslime oft zur Bestattung in die Heimat überführt. Inzwischen sehen jedoch viele Menschen mit islamischem Glauben Deutschland als ihre Heimat an. Das ist auch auf den Friedhöfen sichtbar.
Blick auf ein muslimisches Grab auf einem Friedhof in Frankfurt. © Boris Roessler/dpa

Die Nachfrage nach muslimischen Bestattungen in Hessen wird nach Einschätzung von Kommunen und islamischen Verbänden steigen. Zwar sei der bisherige Bedarf im Verhältnis zum Anteil der muslimischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung von elf Prozent noch ausbaufähig, erklärte der Vorsitzende des hessischen Landesverbandes des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZDM), Said Barkan. «Gleichwohl ist die Nachfrage steigend, auch weil etwa die Gruppe der geflüchteten Muslime unter den Verstorbenen hinzugekommen ist.»

Die erste Generation beispielsweise der türkischen Gastarbeiter muslimischen Glaubens habe sich noch überwiegend in der Heimat bestatten lassen, erklärte Barkan. Der Verband erwarte in den kommenden Jahren mit dem erhöhten Ableben der zweiten und dritten Generation auch eine deutliche Zunahme der Nachfrage nach Bestattungen, die dem islamischen Glauben entsprechen. «Diese Generationen der hessischen Muslime empfinden Hessen als ihre Heimat und auch deren Kinder und Angehörige wollen die Verstorbenen in ihrer Nähe behalten.»

Noch könne die Nachfrage gedeckt werden, erklärte Barkan. «Allerdings wird dies auch davon abhängig sein, ob das Friedhofs- und Bestattungsgesetz weiter angepasst wird.» In Hessen sei die Beisetzung aus religiösen Gründen im Leichentuch islamkonform zwar möglich. «Aber es bestehen weiterhin zu lösende Problemfelder», sagte Barkan und nannte unter anderem die im Islam grundsätzlich verankerte ewige Ruhezeit.

Perspektivisch sollten Muslime Friedhöfe in Kooperation mit dem Land, aber in Eigenverantwortung verwalten dürfen, sagte Barkan. Dies gelte auch für die jüdischen Friedhöfe in Hessen, argumentierte er. Dafür müssten die Religionsgemeinschaften wie der ZDM jedoch als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden.

Viele hessische Kommunen bieten muslimische Bestattungen an, vielerorts wurden die Friedhofsflächen dafür bereits erweitert oder sollen erweitert werden, wie eine dpa-Umfrage ergab.

In Gießen sind seit Anfang der 1990er Jahre muslimische Bestattungen möglich. «Wir haben bereits zweimal erweitert. Eine weitere Erweiterungsfläche für die Folgejahre ist bereits reserviert», erklärte eine Sprecherin der Stadt. Die Nachfrage sei seit Jahren stabil, es würden Verstorbene aus der Stadt Gießen, aber auch aus dem Landkreis und der angrenzenden Region bestattet.

«Wir können - bis auf die Waschung - alle Vorgaben erfüllen, inklusive der sarglosen Bestattung im Tuch», erläuterte die Sprecherin. Die Möglichkeit der ewigen Ruhe werde dadurch gewährleistet, dass alle muslimischen Gräber unbegrenzt verlängerungsfähige Wahlgräber sind. «Wir sind im guten Kontakt mit den islamischen Gemeinden in Gießen und haben den Eindruck, dass diese mit unserem Angebot zufrieden sind», erklärte sie.

Das Grünflächenamt in Frankfurt teilte mit, dass bereits seit 1961 für die muslimischen Einwohnerinnen und Einwohner Bestattungsmöglichkeiten nach dem islamischen Ritus bestehen. «In diesem Sommer wurde das Angebot mit dem neuen Grabfeld auf dem Friedhof Höchst erweitert.» Die Grabfelder sind nach Angaben des Amtes so nach Süd-Südost ausgerichtet, dass alle Verstorbenen auf der rechten Seite liegend Mekka zugewandt sind.

Auf den 36 Friedhöfen in Frankfurt fanden den Angaben zufolge 2021 insgesamt 5124 Beisetzung statt - darunter 218 muslimische Erdbestattungen. In der Friedhofsordnung sei zwar explizit kein ewiges Ruherecht festgelegt, erklärte das Grünflächenamt. «Die Angehörigen haben jedoch stets die Möglichkeit, bei Wahlgrabstätten das Nutzungsrecht zu verlängern.»

In Kassel gibt es seit den 1980er Jahren ein muslimisches Gräberfeld auf dem Westfriedhof, wie der Dienststellenleiter der Friedhofsverwaltung, Eckehart Göritz, sagte. Während es zu Beginn etwa eine Beerdigung pro Jahr gewesen sei, gebe es inzwischen stetige Zuwächse. Während der Corona-Pandemie sei spürbar gewesen, dass oft keine Überführungen mehr in die Heimatländer möglich gewesen seien. Auch seien viele Muslime nicht mehr so eng mit der Heimat vertraut wie frühere Generationen, sagte Göritz.

Wiesbaden bietet seit 1987 ein muslimisches Gräberfeld auf dem Südfriedhof an, erklärte die Landeshauptstadt. Im Sterbefall würden individuelle religiöse Vorschriften und Gebote berücksichtigt. «Die Planungen und Ausrichtungen der Gräber fanden in Abstimmung mit dem Amt für Zuwanderung und Integration sowie den Vertretern verschiedener muslimischer Gemeinden statt.»

Seit November 2014 ist auch die sarglose Bestattung auf allen Friedhöfen in Wiesbaden möglich, erläuterte die Stadtverwaltung. «Während es vor einigen Jahren für Migrantenfamilien noch alternativlos war, die verstorbenen Angehörigen in der Heimat zu bestatten, nehmen inzwischen immer mehr Familien das Angebot einer muslimischen Bestattung in Deutschland an», erläuterte ein Sprecher.

«Die religiösen und rituellen Vorgaben bei muslimischen Bestattungen können in Wiesbaden weitestgehend eingehalten werden», erklärte er. Manche Vorgaben, wie beispielsweise die Bestattung innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Tod, seien in Deutschland jedoch nicht möglich, da die Bestattungsgesetze eine Beisetzung frühestens 48 Stunden nach dem Tod erlaubten.

Andere Vorgaben, wie etwa die Totenwaschung, die sarglose Bestattung im Leichentuch oder die Ausrichtung des Leichnams gen Mekka würden erfüllt. «Das ewige Ruherecht kann insofern annähernd erfüllt werden, dass bei Erdwahlgräbern, die eine Nutzungsdauer von 30 Jahren haben, dies im Anschluss von den Nutzungsberechtigten verlängert werden kann», erläuterte der Sprecher.

© dpa
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