Überfälle auf Biomärkte: Hamburger Vater vor Gericht

Er ist Vater, nicht vorbestraft, hat einen festen Job - und doch hat er in Hamburg mehrmals maskiert Biomärkte überfallen. Das hat ein 44-Jähriger vor dem Landgericht gestanden. Unter Tränen erzählt er die Geschichte dahinter.
Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. © Markus Scholz/dpa

Mit einer Soft-Air-Waffe in der Hand betritt der Täter einen Biomarkt in Hamburg-Eimsbüttel und fordert Geld aus der Kasse. Sein Aussehen verbirgt der Mann hinter einer Latex-Maske, die das Gesicht eines alten Mannes darstellt. Fünfmal überfällt er dieselbe Filiale. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm noch zwei weitere Taten in anderen Stadtteilen vor. Vor dem Hamburger Landgericht hat ein 44-Jähriger am Donnerstag unter Tränen all diese Taten gestanden. «Ich sitze hier richtig, ich bin der Täter», sagte der nicht vorbestrafte Vater.

Die Anklage wirft ihm Raub in sechs Fällen vor - davon fünf in besonders schwerem Fall - sowie versuchte schwere räuberische Erpressung in einem Fall (Az634 KLs 16/22). Er habe zwischen 24. August 2021 und 6. Mai 2022 Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen. Dabei schlug er laut Staatsanwaltschaft immer im selben Laden in seiner Nachbarschaft im Stadtteil Eimsbüttel zu, nur einmal in Eppendorf. Auch in einer Pizzafiliale in Groß Borstel habe er Geld gefordert. Ein Zeuge packte ihn der Anklage zufolge aber am Arm und schubste ihn aus dem Laden. Bei den Überfällen habe er insgesamt mehr als 4100 Euro erbeutet.

Sichtlich bewegt schilderte der Mann, wie es so weit habe kommen können. Dabei musste er 20 Jahre zurück in die Vergangenheit gehen. Damals sei sein bester Freund, mit dem er zusammen gewohnt habe, immer weiter abgerutscht in die Drogenwelt. «Er war nur noch drauf», sagte der Angeklagte. Der Kontakt sei deshalb weniger geworden. Beim Versuch, Drogen zu schmuggeln, sei der Freund schließlich 2004 an einer Überdosis Kokain gestorben. Das sei eine Katastrophe gewesen, sagte der Mann. Er selbst heiratete, bekam drei Kinder, hatte einen festen Job. Phasenweise habe er aber Probleme mit Alkohol gehabt, sehr selten auch Kokain genommen, erzählte er.

Silvester 2011 habe er diese Drogen wieder nehmen wollen und sei beim Kauf auf zwei Männer getroffen, die er laut eigener Aussage flüchtig über seinen früheren besten Freund kannte. Sie hätten ihm einen Schlag versetzt und verlangt, dass er für das Drogengeld aufkommen müsse, das ihnen durch den Tod des Freundes beim Schmuggeln entgangen sei. Innerhalb von einer Woche habe er 5000 Euro besorgen müssen, schilderte der 44-Jährige. Die Drohung der Männer: «Sonst hast Du eine Kniescheibe weniger.» Dabei hätten sie ihn mit einer Waffe bedroht.

«Ich habe Geld zusammengekratzt», sagte der Angeklagte. Doch die Erpresser seien nicht zufrieden gewesen: 2018 hätten sie ihm wieder aufgelauert, noch mehr Geld verlangt und ihn geschlagen. Über Jahre sei das immer wieder von vorn losgegangen. Der Angeklagte nahm eigenen Angaben zufolge Kredite auf, lieh sich Geld von Freunden und Kollegen, stahl Wertvolles von Familienmitgliedern. «Ich bin sogar an die Spardose meiner Kinder gegangen», sagte er schluchzend.

Er habe diesen Druck vor seinen Angehörigen und seinem Arbeitgeber verheimlicht, aus Angst um sich und seine Familie viel Alkohol konsumiert. Schließlich habe er keinen anderen Ausweg als die Überfälle gesehen, an die er sich kaum erinnern könne - wohl auch weil er zum Tatzeitpunkt wieder getrunken habe. Es tue ihm sehr leid. «Jetzt, wo ich alles gesagt habe, ist mir ein Ballast von den Schultern gefallen», betonte der Mann, der in Untersuchungshaft sitzt. Nach seiner Verhaftung habe er einen Entzug gemacht.

Das Landgericht hat insgesamt zehn Verhandlungstage bis Mitte Dezember angesetzt. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

© dpa
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