Gerecht oder zu gering? Vier Jahre Haft für Todesfahrer

Unter Drogen und ohne Führerschein fährt im Januar 2021 ein 26-Jähriger in Neumünster in eine Fußgängergruppe. Drei Menschen sterben. Das Urteil zu der Todesfahrt macht die Angehörigen der Getöteten traurig.
Justitia
Eine Figur der blinden Justitia. © Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Fast zwei Jahre nach der Todesfahrt von Neumünster, bei der im Januar 2021 drei Menschen starben, hat das Landgericht Kiel ein Urteil gefällt: Vier Jahre und drei Monate Gesamtfreiheitsstrafe für einen einschlägig vorbestraften 26-jährigen, der sich im Drogenrausch und ohne Führerschein ans Steuer setzte, um in Bordesholm Drogen zu beschaffen. Zugleich ordnete die Kammer am Mittwoch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Demnach stufte ein psychiatrischer Gutachter ihn als therapiefähig ein. Möglicherweise kann der Mann schon in zwei Jahren auf Bewährung freikommen, so das Gericht. Einen Führerschein darf er erst nach fünf Jahren beantragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das tragische Unfallgeschehen beschreibt der Vorsitzende Richter Stephan Worpenberg so: Der Angeklagte, der laut Urteil unter Kokain mit überhöhter Risikobereitschaft und zu schnell fährt, verliert in einer Rechtskurve die Kontrolle über das Fahrzeug, versucht noch zu bremsen und erfasst dann doch die Fußgängergruppe. Eine 30-Jährige, die an diesem Tag Geburtstag feierte und ihr 34 Jahre alter Lebenspartner sterben noch am Unfallort. Beide sind Polizisten. Die jüngere Schwester der Frau erliegt zwei Tage später ihren Verletzungen. «Den Nothelfern bietet sich ein grässliches Bild», sagt Worpenberg. «Sie leiden noch heute unter dem Eindruck.»

Der Angeklagte selbst stieg dem Urteil zufolge unverletzt aus seinem Fahrzeug aus, wirkte aufgelöst, gestand Drogenmissbrauch und auch, ohne Führerschein zu schnell gefahren zu sein, sagt der Richter. Um die Unfallopfer kümmerte er sich demnach nicht. Aber weil er suizidal wirkte, kam er kurzzeitig ins Krankenhaus. Noch in der Nacht ließ er sich laut Urteil mit dem Taxi an den Unfallort fahren, um dort etwas abzuholen, was er zuvor versteckt hatte.

Für ein zunächst angeklagtes Autoeinzelrennen sieht das Gericht ebenso wenig gesicherte Beweise wie für die Annahme einer gewerbsmäßigen Drogenbeschaffungsfahrt. Sie hätte mit bis zu 15 Jahren bestraft werden können.

Auch dass der Angeklagte in Chats vor dem Unfallgeschehen geäußert habe, er überlege Menschen umzubringen ohne erwischt zu werden, hielt das Gericht für «unreifes Geschwätz». «Dass es dort einen Vorsatz gab, Menschen umzubringen, haben wir ausgeschlossen», sagt Worpenberg. Die Nebenkläger hatten deshalb im Verfahren Mordanklage ins Spiel gebracht, dies aber später nicht weiterverfolgt.

Worpenberg bezeichnete die Strafe als «gerechten Schuldausgleich». Die Angehörigen der Toten nahmen das Urteil dagegen enttäuscht und mit Tränen auf. Es sei unverständlich, sagte der Vater der getöteten Schwestern: «Er bekommt eine geringe Strafe, wir haben lebenslänglich.»

Der Angeklagte war am ersten Prozesstag nicht erschienen. Im Prozess schwieg er. Erst vor dem Urteil entschuldigte er sich im Schlusswort bei den Hinterbliebenen. Sie sind Nebenkläger. Er würde den Tag gern rückgängig machen, sagte der 26-Jährige.

Die Strafe entspricht im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die vier Jahre und neun Monate sowie die Unterbringung im Maßregelvollzug gefordert hatte. Auch der Verteidiger spricht von einer Strafe, die nicht überraschend sei. Er hatte auf maximal drei Jahre plädiert. Fahrlässige Tötung wird mit maximal fünf Jahren Haft oder Geldstrafe bestraft.

© dpa ⁄ Karen Katzke, dpa
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