Mehr Menschen haben sich in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren an die Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni gewandt. Im jüngsten Berichtszeitraum von Oktober 2020 bis September 2021 erreichten ihr Team 349 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern sowie Polizistinnen und Polizisten, sagte El Samadoni am Donnerstag bei der Vorstellung des Berichts in Kiel. Das waren 91 mehr als im Vorjahr. In zwei Fällen wurde El Samadoni von selbst aktiv. 2022 gab es Beschwerden in ähnlicher Höhe. Der Bericht dazu ist aber noch in Arbeit.
Von Bürgerinnen und Bürgern kamen 186 Beschwerden, meist ging es um Kommunikation oder fachliche Kritik an der Polizei. «Die polizeilichen Maßnahmen, die wir überprüft haben, waren ganz überwiegend rechtmäßig, dies betraf 18 der 22 Beschwerden zu diesem Thema», sagte El Samadoni. In vier Fällen sei der Sachverhalt auch nach sorgfältiger Aufklärung unklar geblieben.
In zehn Beschwerden ging es um Vorwürfe von Polizeigewalt. Gleich drei davon bezogen sich auf einen Fall von polizeilicher Gewalt bei einer Demonstration mit dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Laut dem Bericht von El Samadoni zeigte ein Video des Falls den körperlichen Übergriff eines Polizisten, aber auch eine vorherige Beleidigung gegen den Beamten. Letztlich landete der Fall vor Gericht und endete mit einer Geldstrafe für den Polizisten.
Aus der Polizei heraus gab es 161 Petitionen. In 24 Fällen sei es um interne Konflikte gegangen, sagte El Samadoni. Die meisten der Beschwerden hätten sich gegen unmittelbare Vorgesetzte gerichtet. «Eine erfreuliche Entwicklung ist, dass wir immer häufiger offen tätig werden können.» Nur 28 der 161 Vorgänge blieben letztlich vertraulich.
Seit Oktober 2016 gibt es die Anlaufstelle. El Samadoni riet Einsatzkräften: «Eine situationsangemessene Verständigung auf Augenhöhe, die die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Handelns herstellt, ist für die Stärkung des Vertrauens wesentlich.» Sie mahnte, dass im Norden wie in anderen Ländern auch fremdsprachige Notrufe möglich sein müssen. «Wir müssen der Veränderung der Gesellschaft Rechnung tragen, auch zugewanderte und geflüchtete Menschen, die der deutschen Sprache nicht oder noch nicht mächtig sind, müssen den Notruf nutzen können.» Ein Notruf in englischer Sprache müsse jederzeit möglich sein. Dabei könnten Sprach-Apps oder künstliche Intelligenz helfen.
Immer wieder beschäftige sich das Team mit der Sicherstellung von Mobiltelefonen, mit denen Bürgerinnen und Bürger zuvor Amtshandlungen von Beamten gefilmt haben. Dabei falle auf, dass Bürgerinnen und Bürger fast immer annehmen, sie dürften alles filmen und alles ins Internet stellen, sagte El Samadoni. Einsatzkräfte würde annehmen, dass einzig ihr persönliches Recht am eigenen Bild maßgeblich sei. Das sei aus beiden Richtungen betrachtet nicht richtig. Sie empfahl dem Innenministerium, Einsatzkräften Hinweise zur Rechtslage und Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen.
Der FDP-Innenpolitiker Bernd Buchholz forderte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) auf, für Klarheit in der Sache zu sorgen. «Das Filmen von Polizeieinsätzen ist zulässig.» Beamtinnen und Beamte sollten mit dem gebotenen Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit auftreten und dürften selbstverständlich dabei auch gefilmt werden. «Das gehört für uns zum Wesen einer Bürgerpolizei.»
Einen Mehrwert hat El Samadoni bei Body- und Dashcams ausgemacht. Für Einsatzkräfte sei es hilfreich, wenn Mitschnitte strittiger Einsatzsituationen zur Verfügung gestellt würden. Ein Problem stellt für Polizeikräfte die Dauer von Disziplinarverfahren dar. Neben der persönlichen und oft auch ins Privatleben hineinwirkenden Belastung könnten Betroffene während eines laufenden Verfahrens den Arbeitsplatz nicht wechseln und würden in der Regel nicht befördert. El Samadoni empfahl, die Länge der Verfahren zentral im Innenministerium zu erfassen und zu bewerten.
Auf Widerspruch der Gewerkschaft der Polizei stieß eine weitere Forderung von El Samadoni nach einer wissenschaftlichen Studie zum Thema Rassismus. «Warum die Polizeibeauftragte, die stets richtigerweise dargestellt hat, dass es auch aus ihrer Sicht keinen strukturellen Rassismus in der Landespolizei gibt, eine weitere Studie fordert, ist absolut nicht nachvollziehbar», sagte der Landesvorsitzende Torsten Jäger. Die Motivation für diese Forderung sei völlig unklar.