Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen hat vor EU-Plänen für ein umfassendes Verbot von sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS (gesprochen: Pifas) gewarnt. Das von der EU-Kommission ab 2025 geplante undifferenzierte Verbot von mehr als 10.000 Substanzen bringe nicht nur Unternehmen wie den Lübecker Medizintechnik-Hersteller Dräger in Bedrängnis, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Er will bei der Wirtschaftsministerkonferenz am Mittwoch in München seine Länderkolleginnen und -kollegen für eine risikobasierte Regulierung gewinnen.
Madsen wirbt für Übergangsfristen und regt Ausnahmen für Maschinen an. «Es geht eben auch um Membranen für Beatmungs- und Dialysegeräte, Schläuche für die Produktion hochwertiger Arzneien oder Teile von Windenergie- und Wasserstoffanlagen sowie Wärmepumpen.»
Die Forderung des Wirtschaftsministers sorgte beim Koalitionspartner für Unmut. Gemeinsam mit Dänemark, Schweden, Norwegen und den Niederlanden habe Deutschland im Januar einen umfangreichen PFAS-Beschränkungsvorschlag eingereicht, sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Silke Backsen. Dies habe Schleswig-Holsteins Landtag im Mai ausdrücklich begrüßt. «Die Äußerungen des Wirtschaftsministers sind in dem Zusammenhang irritierend.» Ihre Fraktion erwarte, dass sich alle Mitglieder der Landesregierung für umfassende Beschränkungen dieser Stoffgruppe einsetzen. «Die Verwendung von PFAS muss auf das absolut unvermeidbare Maß beschränkt werden.»
PFAS steht für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Die extrem stabilen Chemikalien, die natürlicherweise nicht vorkommen, können sich in der Umwelt anreichern, auch in Deutschland. Sie werden beispielsweise bei Outdoor-Produkten verwendet.
Madsen betonte, gerade in Hightech-Anwendungen der Elektronik-, Energie-, Pharma- oder Medizinbranche gebe es zu PFAS vielfach keine Alternativen. «Es wird auch den grünen Umbau der deutschen Wirtschaft zurückwerfen. Zudem läuft es dem erklärten Ziel der EU zuwider, Europa wieder zum Zentrum der Halbleiterindustrie zu machen und die Pharmabranche zu stärken.»
Ein Verbot von PFAS-Schläuchen in der Arzneimittel-Produktion könne dazu führen, dass Hersteller ihre Werke in Länder außerhalb der EU verlagern, sagte Madsen. Bei der Nutzung von PFAS-Schläuchen würden Verunreinigungen deutlich geringer ausfallen.
Auch Konzerne, die unersetzbare PFAS-Stoffe in ihren Produkten nutzen würden wie Dräger, könnten mit Verlagerungen auf die EU-Pläne reagieren, warnte Madsen. «Beatmungsgeräte oder Sicherheitstechnologien würden dann in einem ohnehin weltweit aufgestellten Konzern nicht mehr in Europa produziert und dort auch nicht mehr verkauft werden.»
Firmenchef Stefan Dräger sagte der Deutschen Presse-Agentur, «wenn das PFAS-Verbot in der vorgeschlagenen Form umgesetzt wird, betrifft das fast alle unsere Produkte, die es dann nicht mehr geben wird - und uns als Unternehmen vermutlich dann auch nicht mehr. Das ist wirklich existenziell.»