Schleswig-Holsteins schwarz-grüne Landesregierung hat ihre umstrittene Haushaltssperre nach zwei Wochen bereits wieder aufgehoben. Am Dienstag verständigte sich das Kabinett auf Einsparungen. «Am Ende muss die Kasse stimmen», sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) im Finanzausschuss des Landtags. «Wir richten den Haushalt bei sinkenden Einnahmen und steigenden Kosten neu aus.»
Mitte Mai hatte Heinold nach ihren Angaben «im Schulterschluss» mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) überraschend eine vorübergehende Haushaltssperre verhängt. Es folgte massive Kritik von Opposition und Verbänden. Zwei Stunden lang stellte sich Heinold am Dienstag den Fragen des Finanzausschusses. Für die Opposition blieben Fragen offen. «Sie hat nicht vermocht zu erklären, was die Haushaltssperre sollte», sagte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller.
Heinold bezeichnete das Vorgehen wiederholt als richtigen Schritt. «Die Behauptung, die Landesregierung hätte die Finanzsituation des Landes nicht transparent gemacht, ist schlicht falsch.» Ihren Angaben zufolge lag der Handlungsbedarf durch sinkende Steuereinnahmen und erwartete tarifbedingte Kostensteigerungen für das laufende Jahr bei 144 Millionen Euro. Für 2024 sei die noch klaffende Lücke größer.
Das Kabinett begrenzt nun die Personalbudgets der Ministerien. Heinold betonte, dies käme aber keiner Einstellungssperre gleich. Durch die Begrenzung will die Ministerin 50 Millionen für den kommenden Tarifabschluss reservieren. Weitere 94 Millionen Euro spart die Koalition unter anderem durch Kürzungen.
Generell streicht Schwarz-Grün bei Dienstreisen, dem Kauf von Geräten, bei Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Gutachten, Fahrzeugen sowie der Aus- und Fortbildung. Die Sparvorgaben gehen quer durch alle Bereiche: So sinken im Bereich Landesplanung die Zuwendungen an Gemeinden und Gemeindeverbände um ein Drittel auf unter 1,5 Millionen Euro. Für Feuerwehrhäuser gibt es statt 10 Millionen nur 8,5 Millionen Euro.
Für eine landesweite wissenschaftliche Untersuchung zu extremistischen und rassistischen Einstellungen innerhalb der Polizei stehen statt 100.000 nur noch 20.000 Euro bereit. Zuschüsse zu Unterbringungskosten für Auszubildende sinken von 500.000 auf 100.000 Euro. Auch für private Berufsschulen und die Integration von Flüchtlingen an Hochschulen gibt es weniger Geld. Innovationshilfen für Werften gehen gegenüber den Planungen ebenso zurück wie Mittel für die Pflegeausbildung, Tierheime, das Wolfsmanagement, Agrarinvestitionen, Dürrehilfe, Sport- und Städtebauförderung sowie mobile Schlachtanlagen.
Oppositionsführer Losse-Müller mutmaßt, die Sperre habe eine Disziplinierung der Minister zum Ziel gehabt. Gleich mehrfach fragte er nach konkreten Einsparungen durch die zweiwöchige Haushaltssperre, bekam aber keine präzise Antwort. Die Haushaltssperre sei ein offensichtlicher Fehler. «Sie (Heinold - Anmerkung der Redaktion) hatte nicht die Größe, das einzugestehen», sagte der SPD-Fraktionschef. Zudem habe die Sperre überhaupt keine Einsparungen bewirkt. «Das war einfach ein desaströser Effekt.»
Heinold betonte die angespannte Finanzlage des Landes. «Neben Steuermindereinnahmen, steigenden Zinsen und inflationsbedingten Kostensteigerungen wirken sich auch die politischen Beschlüsse des Bundes spürbar auf die Finanzsituation des Landes aus.» Als Beispiele nannte sie die Wohngeldreform, das Deutschlandticket, das Bürgergeld oder auch den Wegfall der Mittel für Kita-Sprachförderung.
Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Gaby Schäfer, hatte das Vorgehen bereits in der Vergangenheit kritisiert. «Und ich habe auch heute keine Argumente für die Haushaltssperre gehört.»
Kritik an Heinold kam auch von der FDP. Deren Finanzpolitikerin Annabell Krämer sprach von einer kurzschlussartigen Panikaktion. «Ich verstehe es immer noch nicht.» Durch die Sperre entstünden möglicherweise sogar im Nachgang zusätzliche Kosten. Ihre SPD-Kollegin Beate Raudies warf die Frage auf, wozu der ganze Aufruhr im Land notwendig gewesen sei.
Der CDU-Finanzpolitiker Ole Plambeck verteidigte das Vorgehen der Koalition. Die Regierung habe auf eine relativ große Finanzlücke eine Antwort geben müssen. Die Sperre sei richtig gewesen. Nach Auffassung von Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter hat die Haushaltssperre keinen Schaden angerichtet. Sie habe ja nur neun Werktage gewirkt. Auf eine Frage des Ausschussvorsitzenden Lars Harms (SSW), ob die Regierung ausschließe, 2023 erneut einen solchen Schritt zu gehen, sagte Heinold: «Als Finanzministerin kann ich eine Haushaltssperre logischerweise nie ausschließen.»
Losse-Müller nannte die Haushaltssperre einen schweren Fehler, für den sich Heinold entschuldigen müsse. Die Regierung habe dauerhaft Vertrauen zerstört. «Hätte Schwarz-Grün die Landesregierung nicht mit einem zusätzlichen Ministerium sowie teureren Stellen für Staatssekretäre und in Stabsbereichen aufgebläht, hätte man jetzt nicht so massiv kürzen müssen.» Vehement kritisierte Losse-Müller, dass sich Günther bisher nicht geäußert und eine Regierungserklärung in der Sondersitzung des Landtages am Freitag abgelehnt habe.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband rügte, es werde in Bereichen gekürzt, die das nicht verkraften könnten. Als Beispiele nannte er Ganztagsschulen, Deutsch als Zweitsprache, Extremismus- und Rassismusforschung in der Polizei sowie die Altenpflege-Ausbildung. Viele Organisationen müssten ihre Angebote durch immer wieder neue Projekt- oder Vorfinanzierungen aufrechterhalten - ohne gesicherte Planungsmöglichkeiten und klares Finanzierungsbekenntnis, rügte der Landesvorsitzende Michael Saitner. «Die soziale Daseinsvorsorge ist eine feste Säule unserer Gesellschaft, die auf keinen Fall bröckeln darf.»