«Ich habe immer gesagt, dass wir Fluchtursachen und nicht Geflüchtete bekämpfen müssen», betonte Midyatli. Solidarisch wäre es gewesen, wenn alle Länder dazu verpflichtet würden, rechtsstaatliche Asylverfahren durchführen. «Stattdessen wird eine «flexible Solidarität» eingeführt, von der man sich mit Geld freikaufen kann, und es wird noch stärker verhindert, dass Menschen überhaupt das EU-Festland betreten.» Damit bleibe die Hauptlast weiterhin vor allem bei den Staaten an den EU-Außengrenzen.
Die EU-Staaten hatten am Donnerstag mit einer ausreichend großen Mehrheit für umfassende Reformpläne gestimmt. Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive.
So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen in sogenannten Grenzverfahren geprüft werden, ob die Antragsteller Chancen auf Asyl haben. Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt.
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und Pro Asyl werteten die Beschlüsse als Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das Flüchtlingsrecht. «Die massiv verwässerten Kriterien für angeblich sichere Drittstaaten öffnen einer technokratischen Politik Tür und Tor, die Schutzsuchenden außen vor zu halten und sich ihrer auf scheinlegale Weise zu entledigen», hieß es. Selbst Familien mit Kindern würden künftig an Europas Grenzen in Haftlagern hinter Stacheldraht landen.