Es geht um viel Prestige und um drei Punkte: Das 109. Hamburger Stadtderby des HSV gegen den FC St. Pauli elektrisiert die Fans beider Vereine. 57.000 Zuschauer werden am Freitag (18.30 Uhr/Sky und Sky Sport youtube) im ausverkauften Volksparkstadion für eine hitzige Atmosphäre sorgen. Für die Mannschaften geht es am 29. Spieltag der 2. Liga nicht nur um den inoffiziellen Titel des Stadtmeisters. Die spannende Tabellenkonstellation erhöht die Brisanz des Duells der nur sieben Kilometer entfernten Clubs.
HSV-Trainer Tim Walter: Für ihn gibt es nur den Aufstieg als Ziel. Vehement zeigt der 47-Jährige immer wieder, dass er überzeugt ist, in dieser Saison die Rückkehr in die Bundesliga zu schaffen. Sein Selbstbewusstsein ist riesengroß, Selbstzweifel kennt er nicht. Er ist von seinem Spielsystem überzeugt und hält unbeirrt daran fest. An der Seitenlinie tritt Walter temperamentvoll auf. Manchmal zu temperamentvoll. Im Spiel beim Karlsruher SC kassierte er sogar eine Rote Karte.
FC St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler: Er ist mit 30 Jahren der jüngste Trainer im deutschen Profifußball. Als Nachfolger seines Chefs Timo Schultz brachte er Struktur und Balance in das Spiel seiner Mannschaft. In elf Rückrundenspielen kassierte der FC St. Pauli nur vier Gegentore. Bislang wirkt der in Houston geborene Hürzeler zumeist ruhig und besonnen. Er selbst bezeichnet sich als impulsiv. Das bekam auch sein Kontrahent Walter im August 2017 zu spüren. Als Spielertrainer des FC Pipinsried war Hürzeler im Regionalliga-Spiel gegen Bayern München II mit Trainer Walter aneinandergeraten. Die Wogen sind längst geglättet. Ihr Verhältnis beschrieben beide als gut.
Bilanz: Sie spricht eindeutig für den HSV. In 108 Pflichtspielen gewann der Hamburger SV 68 Mal, 24 Mal war der FC St. Pauli der Sieger, 16 Mal trennten sich die Vereine unentschieden. Seit dem Abstieg des HSV trafen die beiden Clubs neunmal in der 2. Bundesliga aufeinander: Fünfmal lagen die Kiezkicker vorn, zweimal siegten die HSV-Profis, zweimal endeten die Spiele remis.
Ausgangslage HSV: Das Stadtduell hat sich zu einem Verfolgerduell entwickelt. Der HSV steht mit 53 Punkten als Tabellendritter auf dem Aufstiegsrelegationsplatz. Darmstadt 98 (58 Punkte) und der 1. FC Heidenheim (54) nehmen die direkten Aufstiegsränge ein. Trainer Walter verweist darauf, dass der Verein gemessen an der Punktzahl seine bislang beste Zweitliga-Saison erlebt. Nach nur zwei Siegen in den vergangenen sieben Spielen werden aber auch schon Vergleiche mit den Jahren zuvor der HSV seine guten Ausgangspositionen verspielten. Eine Niederlage gegen den FC St. Pauli würde auch sportlich wehtun.
Ausgangslage FC St. Pauli: Seit Beginn der Rückrunde hat sich der FC St. Pauli dank seiner Rekordserie von zehn Siegen von Rang 15 bis an die Aufstiegsplätze herangearbeitet. Die Serie endete am vergangenen Sonntag mit der Niederlage gegen das bis dahin auswärts schwächste Team der Liga von Eintracht Braunschweig. Mit sechs Zählern weniger ist der Abstand des Tabellenfünften zum Rivalen aus dem Volkspark noch beträchtlich. Sollte der Kiezclub verlieren, wären alle vagen Aufstiegs-Hoffnungen wohl vorbei. Allerdings: Im Januar hatten sich Verantwortliche und Fans noch Abstiegssorgen machen müssen. Das Thema ist längst passé.
Hinrunde: Das Spiel am 14. Oktober war für den HSV ein Spiel zum Vergessen. Mit dem 0:3 am Millerntor kassierte das Team die bislang höchste Saisonniederlage. Nach 28 Minuten sah Kapitän Sebastian Schonlau die Rote Karte nach einer Notbremse gegen Etienne Amenyido. Lange wehrten sich die Gäste in Unterzahl. Dann traf der FC St. Pauli durch Eric Smith (61.), Marcel Hartel (71.) und David Otto (89.). Nach der Pressekonferenz verabschiedete sich Trainer Walter beim St.-Pauli-Kollegen Timo Schultz mit den Worten: «Ein Mal sehen wir uns noch im Rückspiel.» Er sollte nicht Recht behalten. Schultz ist nicht mehr da. Walter wird im Volksparkstadion Fabian Hürzeler die Hand schütteln.
Fans: Mit 57.000 Zuschauer ist das Volksparkstadion ausverkauft. Etwa 6000 Anhänger des FC St. Pauli sind darunter. Erstmals seit der Corona-Pandemie wird wieder vor so einer großen Kulisse das Stadtderby ausgespielt. Für die Polizei wird das Hochrisikospiel zum Großeinsatz. Voraussichtlich deutlich mehr als 1000 Beamte werden versuchen, die beiden rivalisierenden Fan-Lager getrennt zu halten und Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu verhindern.