Neuer Prozess um getöteten Brasilianer: War es Mord?

Vier Monate lang wird ein junger Brasilianer in Hamburg vermisst. Dann findet die Polizei seine stark verweste Leiche in einer Wohnung. Die Todesursache lässt sich nicht mehr feststellen - was dem mutmaßlichen Täter eine Verurteilung zu lebenslang ersparen könnte.
Eine Ausgabe der Strafprozessordnung liegt in einem Gerichtssaal. © Friso Gentsch/dpa/Symbolbild

Genau drei Jahre nach dem Fund der Leiche eines monatelang vermissten Brasilianers hat vor dem Landgericht Hamburg ein neuer Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft warf dem 48-Jährigen am Donnerstag Mord, Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung und weitere Straftaten vor. Sein Mandant werde dazu keine Angaben machen, sagte sein Verteidiger. Vor der Vernehmung dreier Zeugen schloss die Strafkammer auf Antrag der Verteidigung und des Nebenklagevertreters die Öffentlichkeit aus.

Der Italiener war bereits am 22. April 2021 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte die Verurteilung wegen Mordes jedoch im Mai 2022 aufgehoben und den Fall an eine andere Schwurgerichtskammer am Landgericht Hamburg verwiesen.

Im ersten Verfahren war das Landgericht zu der Überzeugung gekommen, dass der Angeklagte - von Beruf Krankenpfleger - den 28-Jährigen in seiner Wohnung in Hamburg-Neustadt mit Drogen betäubt hatte, ihn zum Sex zwingen wollte und ihn dabei ermordete. Die Leiche des Brasilianers versteckte er im Gästezimmer. Sie wurde erst vier Monate nach der Tat von der Polizei gefunden. Der Tote lag unter einer Matratze, war mit Sand bedeckt und mit Säcken umhüllt. Der Brasilianer hatte seit 2016 in Deutschland gelebt und bei einem IT-Dienstleister gearbeitet. Mehrere Menschen hatten den Mann Ende September 2019 als vermisst gemeldet und ihn mit Plakaten gesucht. Auch die Polizei hatte Ende 2019 öffentlich mit einem Foto nach dem Vermissten gefahndet.

Nach Überzeugung des Landgerichts hatte der Angeklagte bereits 2018 bei einer Party einem Bekannten ein Getränk mit K.o.-Tropfen gegeben, den Bewusstlosen vergewaltigt und davon Fotos und Videos gemacht. Später versuchte er, sein Opfer damit zu weiteren sexuellen Handlungen zu erpressen. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Feststellungen zu dieser Tat.

Die Verurteilung wegen Mordes sei dagegen unzureichend begründet, meinten die Bundesrichter. Weil die Todesursache aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung nicht mehr feststellbar war, ging das Landgericht von drei verschiedenen Tatvarianten aus. Demnach starb der Brasilianer entweder durch die Drogen, das Zudrücken seines Mundes oder durch andere körperliche Gewalt. Bei der dritten Tatvariante seien die gefundenen Blut- und DNA-Spuren aber nicht überzeugend dargestellt worden, erklärte der Bundesgerichtshof. Mischspuren von verschiedenen Personen an einem Bettlaken und anderen Gegenständen seien nicht ausreichend analysiert worden. Auch sei unklar, ob der Angeklagte in diesem Fall Gewalt anwendete, um eine andere Straftat zu verdecken. Damit sei das Mordmerkmal nicht sicher belegt.

Keine Zweifel hatten die Bundesrichter an den Feststellungen des Landgerichts zur unmittelbaren Vorgeschichte der Tat. Demnach hatten sich der Angeklagte und der junge Brasilianer wenige Tage zuvor in einer Pizzeria kennen gelernt. Am 21. September 2019 besuchten sie gemeinsam eine Geburtstagsfeier. Am frühen Morgen des Folgetags fuhren sie mit einem Taxi zur Wohnung des Angeklagten. Dort mischte der Italiener seinem Gast Ecstasy, Amphetamine und Kokain in ein Getränk. Die Drogen seien potenziell tödlich gewesen, hieß es. Der Angeklagte habe den auf diese Weise wehrlos gemachten Brasilianer vergewaltigen wollen.

Doch trotz der Drogengabe wehrte sich der 28-Jährige und schrie. Eine Nachbarin sei auf die Schreie aufmerksam geworden. Möglicherweise tötete der Angeklagte den jungen Mann, um zu verhindern, dass die Nachbarin die Polizei alarmierte. Das genaue Geschehen zu jenem Zeitpunkt muss in dem neuen Prozess geklärt werden. Die Strafkammer hat weitere 16 Verhandlungstermine bis Anfang Mai angesetzt.

© dpa
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