Wegen Beteiligung an der Hinterziehung von mehr als 22 Millionen Euro Umsatzsteuer hat das Landgericht Hamburg zwei Münzhändler zu jeweils viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein dritter Angeklagter bekam am Donnerstag wegen Beihilfe dreieinhalb Jahre Haft. Die Unternehmensgruppe des 74 Jahre alten Hauptangeklagten hafte für den entstandenen Steuerschaden, erklärte der Vorsitzende Richter Peter Rühle.
Die Angeklagten hätten sich stillschweigend zu einer Bande zusammengeschlossen und ein «Umsatzsteuer-Karussell» mit Platinmünzen betrieben. Münzen seien von Deutschland in die Slowakei und über Zwischenhändler wieder zurück nach Hamburg verkauft worden. Einer der Vorlieferanten bezahlte dabei keine Umsatzsteuer. Das Hamburger Unternehmen habe das gewusst und trotzdem zwischen März 2018 und Juni 2020 unrechtmäßig Vorsteuerabzüge in Millionenhöhe bei den Finanzbehörden geltend gemacht.
Der zweite Hauptangeklagte spielte nach Überzeugung der Strafkammer als Angestellter des Hamburger Münzhandels eine wesentliche Rolle. Der 47-Jährige sei als Ein- und Verkäufer tätig gewesen und habe dabei Schmiergelder und Bonuszahlungen kassiert. Der Mitangeklagte, ein 32-jähriger Mitarbeiter einer slowakischen Firma, habe die Kontakte nach Hamburg hergestellt.
Strafmildernd wertete das Gericht das Geständnis des 47-Jährigen. «Er hat umfassend reinen Tisch gemacht», sagte Rühle. Auch der 32-Jährige habe die Mehrzahl der angeklagten Fälle gestanden. In Chatverläufen sei immer wieder von einem «System» die Rede gewesen. Darum gebe es keinen Zweifel, dass auch er von dem Umsatzsteuer-Karussell wusste.
Der Hauptangeklagte hatte dagegen vor Gericht mehrfach bestritten, sich bewusst an dem Steuerbetrug beteiligt zu haben, wie der Richter sagte. Das glaubte ihm die Strafkammer nicht. Er sei in dem von ihm gegründeten Unternehmen zur Tatzeit immer noch der eigentliche Chef gewesen. Er habe erkannt, dass es sich bei dem Handel mit Platinmünzen nicht um ein normales Geschäft handelte.
Erstmals habe sich 2017 bei dem alteingesessenen Hamburger Münzhandel ein in der Branche vollkommen unbekannter Händler gemeldet und Platinmünzen im Wert von 900 000 Euro angeboten. Dabei habe er auf Barzahlung bestanden, auch der Umsatzsteuer. Dieses Geschäft sei schließlich nicht durchgeführt worden. In den Folgejahren habe der Handel mit Platinmünzen aber schwunghaft zugenommen. Die Firma handelte im Jahr 2019 demnach bereits mit Münzen im Wert von rund 50 Millionen Euro. Dabei spiele Platin für Privatanleger in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle, weil beim Kauf - anders als bei Gold - die volle Umsatzsteuer fällig wird. Die Geschäfte seien «extrem auffällig» gewesen, sagte der Richter.
Der 74-Jährige habe diesen Handel für riskant gehalten und Bedenken gehabt. Sein Steuerberater habe ihm geraten, damit sofort aufzuhören. Dennoch habe er weitergemacht - bis zum Eingreifen der Ermittlungsbehörden, die das Unternehmen durchsuchten. Der Angeklagte habe mit bedingtem, aber nicht direkten Vorsatz gehandelt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Einer der beiden Verteidiger des 74-Jährigen erklärte unmittelbar nach Verkündung, dass er für seinen Mandanten Revision einlege. Alle drei Angeklagten blieben unter Auflagen auf freiem Fuß.
Zu der Bande soll auch ein 31 Jahre alter Geschäftsführer einer GmbH gehört haben, der als Scheinlieferant agierte. Der Komplize war bereits Anfang Juli vergangenen Jahres in Chemnitz zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden. Dieses Urteil ist nach Angaben eines Hamburger Gerichtssprechers rechtskräftig.