Tiefe Trauer um Heide Simonis: Mit einer berührenden Zeremonie hat sich Schleswig-Holstein von seiner früheren Ministerpräsidentin (SPD) verabschiedet. Etwa 500 Weggefährten, Freunde und Angehörige sind am Freitag in die Kieler Petruskirche gekommen, um Abschied zu nehmen von der Politikerin, die von 1993 bis 2005 als erste Frau ein Bundesland regierte und damit Geschichte schrieb. Ihre politische Karriere endete 2005, weil ihr zur Wiederwahl eine Stimme aus den eigenen Reihen fehlte.
Auf dem Sarg liegen weiße Rosen - Simonis' Lieblingsblumen. Witwer Udo Simonis kommt in Begleitung der Simonis-Schwestern Dodo und Barbara. «In liebevoller Erinnerung» steht auf Schleifen der drei am Sarg. Stille Trauer, Anerkennung für eine ungewöhnliche Frau und deren Leistungen als nahbare Politikerin prägen die Zeremonie, aber auch Erinnerungen an heitere Momente und flotte Sprüche.
Die wegen ihres Wortwitzes und ihrer Schlagfertigkeit bekannte Simonis war kurz nach ihrem 80. Geburtstag am 12. Juli nach langer schwerer Krankheit gestorben. Die gebürtige Bonnerin hatte 2014 bekanntgemacht, dass sie Parkinson hat und wurde seit langem in ihrer Altbauwohnung in der Kieler Innenstadt gepflegt. Ihr Schicksal hat im Norden viele Menschen bewegt, bei weitem nicht nur Parteifreunde.
Vorgänger Björn Engholm (83), einst Vorsitzender der Bundes-SPD und designierter Kanzlerkandidat, würdigte nach einem halbstündigen Gottesdienst ebenso die Verdienste der bisher einzigen Ehrenbürgerin des Landes wie der aktuelle Regierungschef Daniel Günther (CDU) und die SPD-Landeschefin Serpil Midyatli. In der ersten Reihe saßen auch die Simonis-Nachfolger Peter Harry Carstensen (CDU) und Torsten Albig (SPD), Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
«Der Tod von Heide hat viele Menschen zutiefst berührt», sagte Pastor Gunnar Engel. Simonis habe oft auch gegen Widerstände einen neuen Weg beschritten. Sie sei ein Mensch für andere gewesen, Vorkämpferin, Vorbild. «Sie war eine menschliche Politikerin oder ein politischer Mensch.» Nach den Worten des Pastors singt der Kammerchor Belcanto «Die Gedanken sind frei» - ein Lieblingslied von Simonis. Sie hatte es, schon von ihrer Krankheit gezeichnet, vor fünf Jahren zu ihrem 75. Geburtstag noch in ihrer Wohnung mitgesungen.
«Unter ihrer Führung hat Schleswig-Holstein einen großen Sprung nach vorne gemacht», sagte Günther. Sie habe Politik so erklärt, dass jeder sie verstanden habe. «Sie liebte das Land und die Menschen. Und die Menschen liebten sie.» Schleswig-Holstein verneige sich vor ihrer Lebensleistung.
«Was Heide Simonis bei den Menschen vor allem so beliebt gemacht hat, war ihre unverwechselbare Art. Sie war immer nahbar, ansprechbar, hat sich in die Sorgen und Nöte der Menschen hineinversetzen können», sagte Günther. Für viele Frauen sei sie eine Vorreiterin gewesen. «Heide Simonis kannte in Deutschland jede und jeder.» Sie habe Schleswig-Holstein moderner und vielfältiger gemacht, keinen Konflikt gescheut.
Simonis hatte Engholm 1993 an der Regierungsspitze «beerbt», nachdem er wegen einer Falschaussage zum Barschel-Skandal von 1987 zurückgetreten war. Ihr Ausscheiden aus der Politik ist nun 18 Jahre her. Nach einer knapp ausgegangenen Landtagswahl ohne Mehrheit für die bis dato amtierende rot-grüne Koalition wollte Simonis mit einer Minderheitsregierung weitermachen, toleriert vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Doch ihre Wiederwahl im Landtag scheiterte, weil jemand aus dem eigenen Lager in vier Durchgängen ihr das Ja verweigerte. Damit war die politische Karriere von Simonis am 17. März 2005 zu Ende. Es folgte eine CDU/SPD-Koalition unter Carstensen.
Das Drama von 2005 wurde auch bei der Trauerfeier angesprochen, auch ihre Vorhersage zu Lebzeiten, der Pastor werde an ihrem Grab sagen, hier ruhe die Frau, die viermal nicht gewählt wurde. Dies werde ihr nicht gerecht, sagte Pastor Engel. Der Tag des Scheiterns habe bei Simonis tiefe Verletzungen hinterlassen, sei Teil ihrer Biografie, aber nicht Teil ihres Vermächtnisses, sagte Günther.
Sie folgte damit dem 1988 von Engholm eingeschlagenen Kurs. «Politik, unser Gemeinwesen mit einer klug bedachten Daseinsvorsorge, der Schaffung tragfähiger Existenzgrundlagen und das Ganze in einer weltoffenen - wie der Ministerpräsident es richtig gesagt hat - Heimat, in einer bewussten Heimat zu gestalten, das war für Heide eine Lebensaufgabe», sagte Engholm. «Und sie hat diese Lebensaufgabe meistens fröhlich, aber immer als Pflicht verstanden.»
Nach ihrem Tod hatten unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) und dessen Vorgängerin Angela Merkel (CDU) Simonis gewürdigt. Diese Anteilnahme über Parteigrenzen hinweg zeige, «was für eine Strahlkraft sie hatte», sagte SPD-Landeschefin Midyatli. Sie bescheinigte Simonis Witz, Charme und wunderbare Ironie. «Schleswig-Holstein trägt heute ohne Zweifel ihre Handschrift.»
Dann nimmt die Trauergemeinde schweigend Abschied. Nach Vaterunser und Schleswig-Holstein-Lied wird der Sarg aus der Kirche getragen. Die Beisetzung auf dem Kieler Südfriedhof bleibt dem engsten Kreis vorbehalten.