Jarasch sucht Schulterschluss mit Klimabewegung

Die Berliner Grünen wollen bei der Wiederholungswahl nicht zuletzt mit dem Klimaschutz punkten. Doch Aktivisten fremdeln mit der Partei. Nun reagiert ihre Spitzenkandidatin.
Verkehrssenatorin und Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Bettina Jarasch spricht bei der Landesdelegiertenkonferenz. © Joerg Carstensen/dpa

Drei Wochen vor der Berliner Wiederholungswahl hat Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch die Klimabewegung um Unterstützung gebeten. «Wir haben die Chance, die nächste Regierung anzuführen. Das ist auch eine Chance für Berlin und für den Klimaschutz», sagte Jarasch bei einer Landesdelegiertenkonferenz am Samstag. «Deshalb bitte ich die Klimabewegung, diese Chance für Berlin zu unterstützen.» Am 12. Februar gehe es darum, ob künftig die CDU regiere, die eine neue Autobahn durch die Stadt wolle oder nach den Silvesterkrawallen nach Vornamen der Tatverdächtigen frage - oder die Grünen, die eine klimaneutrale und sozial gerechte Stadt wollten.

Sie verstehe den Frust der Aktivisten und Aktivistinnen auch aus Berlin, die jüngst im nordrhein-westfälischen Lützerath gegen den Kohleabbau protestierten, so Jarasch. «Was dort vereinbart wurde, ist kein toller Erfolg.» Es handele sich um einen mühsam verhandelten Kompromiss, «der uns nicht zufrieden machen kann». Zur Wahrheit gehöre aber auch: «Ohne die Grünen gäbe es selbst diesen schmerzhaften Kompromiss nicht.»

Nach dem Großeinsatz der Polizei in Lützerath gegen Klimaaktivisten, die Braunkohle-Abbau verhindern wollten, hatte es Kritik an den Grünen gegeben. Die grüne NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur verteidigte die beschlossene Abbaggerung von Lützerath indes damit, dass dafür der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden sei und fünf andere Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier vor der Zerstörung bewahrt würden.

Eine Delegierte des Parteitags, die sich als Cosima vorstellte, übte Kritik: «Arrivierte Politiker» der Partei hielten es wohl nicht mehr für nötig, Ängste junger Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu beherzigen. Auch Klimaaktivisten müssten in die Partei kommen.

Im Mittelpunkt des Parteitags stand das Grünen-Wahlprogramm, das nach ausgiebiger Debatte einstimmig verabschiedet wurde. Das rund 130 Seiten umfassende Papier basiert auf dem Programm für die Wahl 2021, wurde aber in manchen Punkten noch einmal überarbeitet und ergänzt.

Zu den Schwerpunkten gehören Klimaschutz inklusive einer Energie- und Wärmewende. So wollen die Grünen Milliardeninvestitionen in die Umstellung der Wärmeversorgung von Kohle und Gas auf erneuerbare Energien, Geothermie oder Abwasser sowie in die energetische Gebäudesanierung. Sie streben auch eine Verwaltungsreform mit klarerer Aufgabenverteilung zwischen Landes- und Bezirksebene an.

Weiteres Ziele ist ein Umbau der Mobilität. Jarasch formulierte unter anderem das Ziel, die Zahl der Autos zu reduzieren und mehr verkehrsberuhigte Zonen zu schaffen. Ihre Vision sei zudem, dass in zehn Jahren innerhalb des S-Bahn-Ringes nur noch emissionsfreie Autos fahren, Tempo 30 die «Regelgeschwindigkeit» in der Stadt sei und es doppelt so viele Geschwindigkeitskontrollen gebe wie heute.

Um bezahlbare Mieten zu sichern, streben die Grünen an, dass in zehn Jahren die Hälfte der zwei Millionen Wohnungen in Berlin in der Hand gemeinwohlorientierter Eigentümer ist. Ob Wohnungskonzerne dafür enteignet werden, hält Jarasch für eine offene Frage. «Ob es in fünf oder zehn Jahren ein Vergesellschaftungsgesetz gibt, kann heute niemand seriös sagen», sagte sie. «Denn bis dahin ist es noch ein langer Weg.» Ein solches Gesetz müsse verfassungskonform und rechtssicher sein. «Denn ich möchte nicht, dass Berlin damit vor dem Verfassungsgericht scheitert», sagte sie. Dazu gehöre auch eine angemessene Entschädigung für die Eigentümer.

«Eins aber kann ich sagen: Mir ist es ernst mit dem, was wir fast 60 Prozent der Berliner Bevölkerung versprochen haben, die für den Volksentscheid gestimmt haben», so Jarasch. «Wir haben die Expertenkommission eingesetzt, um zu prüfen, wie ein solches Gesetz umsetzbar wäre. Und daran arbeiten wir.»

Bei einem Volksentscheid am 26. September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Seit April 2022 berät eine vom rot-grün-roten Senat eingesetzte Expertenkommission darüber, ob und wenn ja wie das Anliegen umgesetzt werden kann. Sie will im April oder Mai ihre Ergebnisse vorlegen.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte jüngst erklärt, sie habe einen Amtseid geleistet und könne es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, sich für Enteignungen einzusetzen. Unterstützt wird das Anliegen vor allem bei der Linken, aber auch den Grünen. Jarasch hatte in der Vergangenheit mehrfach erklärt, dass sie eine Vergesellschaftung als letztes Mittel sehe, wenn die Wohnungswirtschaft nicht genug bezahlbaren Wohnraum schaffe.

Weil bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 viele Probleme und Fehler auftraten, ordnete der Berliner Verfassungsgerichtshof eine komplette Wiederholung an, die am 12. Februar stattfindet. Die Grünen wollen die Koalition mit SPD und Linken danach fortsetzen - sie hoffen aber, dass das unter ihrer Führung mit Jarasch im Rathaus passiert. In letzten Umfragen lag allerdings die CDU vorn. Rot-Grün-Rot hätte demnach im Abgeordnetenhaus aber trotzdem eine Mehrheit der Sitze.

© dpa
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