Schleusungskriminalität und illegale Migration an der deutsch-polnischen Grenze nehmen deutlich zu. Davon machte sich Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Montag ein Bild im Spree-Neiße-Kreis. Bei einem Vor-Ort-Besuch nahe der Anschlussstelle Roggosen, die auf die Autobahn 15 Richtung Polen führt, forderte er mit Blick auf die Situation an der Grenze einmal mehr stationäre Grenzkontrollen - was die Gewerkschaft der Polizei aber für schwer umsetzbar hält.
Seit mehr als zwei Wochen geht die Landespolizei verstärkt gegen Schleuserkriminalität vor und unterstützt damit die Bundespolizei. Mit Stand Sonntag wurden in diesem Zeitraum laut Stübgen 550 Menschen durch die Landespolizei festgestellt, die illegal über die Grenze gebracht wurden, acht Schleuser wurden gefasst. «Die Zunahme der illegalen Schleusungen gerade über die deutsch-polnische Grenze sprengt gerade jeden Rahmen. Das habe es so noch niemals gegeben, auch nicht 2015/2016, stellte er dar. Täglich würden von der Bundespolizei über 50 illegal Eingereiste in die Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet, im August waren es 35.
Noch vor der Visite des Innenressortchefs hatte die Polizei in Cottbus am Montagvormittag 24 illegal in einem Kleintransporter eingereiste Migranten und einen Schlepper aufgegriffen. In den vergangenen zwei Wochen hatten den Angaben nach über 1000 Polizisten aus Süd- und Ostbrandenburg 913 Fahrzeuge und 1734 Personen in dem Raum entlang der Grenze kontrolliert.
Stübgen berichtete von drei wachsenden Phänomenen der Schleuserkriminalität: Zum einen handele es sich überwiegend um sogenannte Garantie-Schleusungen. Menschen, die sich nach Deutschland bringen ließen, machten einen Vertrag mit den Schleusern - egal wie viele Versuche es gebe. Sie verschuldeten sich damit. Durch die «Schleusergebühren» müsse mit einer weiteren Kriminalisierungswelle gerechnet werden, so der Innenminister. Dazu komme, dass Migranten fast nur noch in kleinen Transportern bis hin zu Pkws transportiert würden. Zudem versuche Russland verstärkt, Islamisten und Extremisten auf die sogenannte Belarus-Route zu setzen, wie man von verschiedenen Diensten wisse.
Die meisten der aufgegriffenen illegalen Flüchtlinge kommen Stübgen zufolge aus Syrien, dahinter folgen Menschen aus der Türkei, kleine Gruppen kämen aus Indien, Irak und Afghanistan. «Die jetzige Situation zeigt deutlich: Wir müssen zwingend stationäre Grenzkontrollen nach Polen und auch nach Tschechien einrichten. Es ist schon viel zu viel Zeit gegangen», kritisierte er erneut. «Bundesinnenministerin Faeser muss ihren Worten jetzt Taten folgen lassen. Sie muss handeln, nicht prüfen.» Sonst seien ihre Ankündigungen nur Lippenbekenntnisse.
Die SPD-Politikerin hatte der «Welt am Sonntag» auf die Frage, ob es an der polnischen und tschechischen Grenze kurzfristige stationäre Grenzkontrollen geben werde, gesagt: «Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen.»
Nach Angaben ihres Sprechers führt Faeser derzeit Gespräche mit Polen und Tschechien über mögliche «zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen». Am Wochenende habe es Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben. Die Bundesinnenministerin werde noch vor dem EU-Innenministertreffen an diesem Donnerstag auch mit ihrem polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, so dass sehr schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten.
Unterdessen warnte die Gewerkschaft der Polizei Brandenburg vor einer Überlastung der Einsatzkräfte und forderte mehr Personal und eine bessere technische Ausstattung. Stationäre Grenzkontrollen seien ad hoc nicht möglich, sagte die Landesvorsitzende Anita Kirsten der dpa. «Hier sieht man, dass über viele Jahre personell einfach nicht nachgesteuert worden ist.» Es fehlten für neue Aufgaben schätzungsweise 500 Polizisten. «Wenn Personal gebraucht wird, dann heisst es aber auch, in Personal investieren», forderte sie.
Zudem müsse in der jetzigen Lage die Abstimmung mit dem Bundesamt für Migration enger werden. «Da laufen viele Sachen doppelt und parallel, was unnötig Personal bindet», sagte Kirsten. Für die Bearbeitung und den Transport der Migranten in die Erstaufnahmeeinrichtung fehlten Sozial- und Verwaltungsmitarbeiter.
Menschen, die an der Grenze aufgegriffen werden und ein Schutzersuchen stellten, könnten nicht wieder nach Polen zurückgeschickt werden, machte der Sprecher der Gewerkschaft der Bundespolizei, Lars Wendland, noch einmal klar. Gleichzeitig seien die Kollegen mit ihrer Arbeit am «Limit». Die Bundespolizei habe 37 Straßenübergänge nach Polen zu kontrollieren. «Auf Dauer werden wir das nicht schaffen», schätzte er ein. Sein Lösungsvorschlag: Flexible statt stationäre Kontrollen an der Grenze.