Internet in Haft: Resozialisierung durch Digitalisierung

Gefangenen der Frauen-JVA in Lichtenberg steht erstmals Internet zur Verfügung. Damit sollen sie auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Das Projekt stößt aber auch auf Kritik.
Lena Kreck (Die Linke), Justizsenatorin, sitzt vor einem Haftraummediensystem in einem Hafttraum. © Joerg Carstensen/dpa

Ob digitale Buchausleihe, Versenden einer E-Mail oder nächstes Level bei Angry Birds: Die Insassinnen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lichtenberg haben seit dem 1. Dezember mit dem sogenannten Haftraummediensystem Zugang zu verschiedenen Internetdiensten. Damit will Berlin als erstes Bundesland seinen Vollzug digitalisieren. Das Pilotprojekt hat das Ziel, die Gefangenen auf ein Leben außerhalb der Haft vorzubereiten, und soll im kommenden Jahr schrittweise auf ganz Berlin ausgeweitet werden.

«Mit dem Haftraummediensystem gehen wir einen wichtigen und einzigartigen Schritt», lobte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck den neuen digitalen Service bei dessen Vorstellung am Mittwoch. «Wir nehmen den Resozialisierungsauftrag ernst.» Dieser fuße auf dem Grundgesetz und der Berliner Landesverfassung, wie Kreck betonte, und umfasse auch einen Zugang zur digitalen Welt. Damit solle die Eigenständigkeit und die Vernetzung der Inhaftierten gefördert werden.

Bisher konnten Gefangene und Sicherungsverwahrte fernsehen, Radio hören und telefonieren. Nun sollen sie Internet-Seiten von Medien und berufliche Bildungsangebote nutzen dürfen. Mit dem System haben die Nutzerinnen konkret die Möglichkeit, digitale Anträge zu stellen, Online-Spiele zu nutzen und auf bestimmte Webseiten zuzugreifen, wie den Verbund Öffentlicher Bibliotheken Berlins oder das Stadtportal Berlin. Verlinkungen auf nicht-zulässige Seiten sind gemäß Projektleitung abgeschaltet - darunter fallen auch Social-Media-Plattformen.

Bestimmte Dienste sowie die Bereitstellung der Geräte und deren Instandhaltung sind kostenlos. Kostenpflichtig sind hingegen Angebote wie Videotelefonie, deren Preis laut Justizsenat durch die Neuerung gesunken ist und die von den Nutzerinnen bezahlt werden. Auch das Versenden von E-Mails, die laut Justizsenat anlassbezogen vom Personal kontrolliert werden können, kostet Geld. Angaben zu den für das Land Berlin anfallenden Kosten, beispielsweise für Beratungsdienste im Rahmen des Vergabeprozesses, machten die Verantwortlichen nicht.

Das Pilotprojekt stößt allerdings auch auf Kritik. «Resozialisierung bedeutet zunächst sinnvolle Beschäftigung, vor allem sinnvolle Arbeitsangebote für alle JVA-Insassen», teilte Holger Krestel, FDP-Sprecher für Recht und Verfassungsschutz, mit. Zunächst solle demnach die Justiz moderner und digitaler und Haftanstalten sicherer gemacht werden, statt den Inhaftierten Internet zu gewähren.

Den Plänen der Justizverwaltung nach soll das neue System 2023 in allen Berliner Gefängnissen etabliert werden. Zunächst in der Frauen-JVA in Pankow, ab März erstmalig auch im Männer-Gefängnis und bis Oktober in allen Einrichtungen.

Laut Justizverwaltung befinden sich derzeit rund 3530 Menschen in den sieben Haftanstalten Berlins. Für Frauen gibt es demnach insgesamt 146 Haftplätze. Im Gefängnis in Lichtenberg sind derzeit 86 Frauen.

© dpa
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