Im Kirchenraum der Zwingli-Kirche in Friedrichshain ist lautes Schnarchen zu hören. Der Saal ist in warmes Licht getaucht, neben dem Altar steht ein leuchtender Weihnachtsbaum. Gegen sieben Uhr morgens laufen Mitarbeiter der Stadtmission durch die Reihen und wecken die obdach- und wohnungslosen Männer auf, die im Saal schlafen und vor eisigen Temperaturen geflüchtet sind. Im Raum nebenan sind die Frauen untergebracht. Teils müßig packen die Gäste ihr Hab und Gut zusammen und holen sich im Frühstücksraum eine Stärkung für den Tag, bevor es zurück in die Kälte geht.
Die Kirche steht seit Montagabend Obdach- und Wohnungslosen zum Schlafen zur Verfügung. Die Notübernachtung ist eine Notlösung, denn am Montagmorgen war eine Unterkunft in Friedrichshain aufgrund eines Brandes evakuiert worden. «Hätte der Kirchenkreis Berlin Stadtmitte uns nicht so schnell geholfen, hätten wir die ganzen Leute wahrscheinlich nicht unterbringen können», erklärt Barbara Breuer, Pressesprecherin der Stadtmission. «Für uns war das ein kleines vorgezogenes Weihnachtswunder.»
Obdachloseneinrichtungen in Deutschland stoßen gegenwärtig an ihre Kapazitätsgrenzen, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnhilfe auf dpa-Anfrage mitteilte. Auch in Berlin beklagt die Stadtmission überfüllte Einrichtungen. «Der Kältebus erhält jeden Abend 60 bis 70 Anrufe und hat Schwierigkeiten, die Leute unterzubekommen», so Sprecherin Breuer. «Wenn dann noch eine kleine Katastrophe wie am Montag passiert, ist das natürlich echt ein Drama für uns.»
Trotz dieser angespannten Lage gibt es in der Zwingli-Kirche noch viele Plätze. Rund 40 Männer und zehn Frauen wurden am dritten Tag in der Kirche untergebracht - Platz wäre aber für 100 Personen. Bislang hat sich das Angebot laut Breuer noch nicht groß rumgesprochen.
Mattheus etwa wurde durch einen Freund auf die neue Einrichtung aufmerksam. Der Obdachlose fand bislang in der Unterkunft in der Lehrter Straße Schutz vor der Kälte und ist mit der kirchlichen Kulisse in seiner neuen Schlafstätte sichtlich zufrieden: «Dieses kulturelle Ambiente beruhigt mich. Alle sind sehr freundlich und angenehm.» Abends möchte er wiederkommen. Viele Tage bleiben ihm dort wohl aber nicht mehr. Die Stadtmission rechnet damit, dass noch vor Weihnachten die vorherige Unterkunft wieder bezogen werden kann.