Angesichts des großen Lehrermangels will Brandenburgs neuer Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) Pädagogen dazu motivieren, später in Rente zu gehen. Dafür solle die Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte ab dem vollendeten 63. Lebensjahr um maximal zehn Stunden reduziert werden, erklärte Freiberg am Samstag auf einer Konferenz des Landesschulbeirats, in dem unter anderem Lehrer, Eltern und Schüler vertreten sind. Jedes Jahr erreichten in Brandenburg etwa 600 Lehrkräfte das 63. Lebensjahr, sagte der Minister. Wenn mehr als die Hälfte dieser Pädagogen das Angebot annehme, sei bereits viel gewonnen.
Denn derzeit gingen rund 80 Prozent der Brandenburger Lehrkräfte vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand, erläuterte Freiberg. Etwa die Hälfte der Pädagogen geht bereits mit 63 Jahren in Rente. Mit einer Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung auf bis zu 17 Stunden an Grundschulen und 15 an weiterführenden Schulen sollen die Pädagogen motiviert werden, bis zum regulären Renteneintritt im Schuldienst zu bleiben. Anstelle der reduzierten Unterrichtsstunden sollen die Pädagogen in den Schulen für andere Aufgaben wie Beratung von Referendaren, Arbeitsgruppen oder Unterstützung der Schulleitung eingesetzt werden.
Freiberg kassierte gleichzeitig den umstrittenen Vorschlag seiner Vorgängerin Britta Ernst (SPD), wegen des erwarteten Lehrermangels 200 Pädagogenstellen für Schulassistenzen und Sozialarbeiter umzuwidmen. Diesen Plan hatte er nach eigener Aussage als Staatssekretär selbst maßgeblich mitentwickelt. Stattdessen sollen die Schulen künftig die finanziellen Mittel für unbesetzte Stellen in einem gewissen Umfang in eigener Regie für ergänzende Unterrichtsangebote, Assistenzen oder etwa Schulsozialarbeit einsetzen können.
Außerdem soll mit einer großangelegten Werbekampagne in den sozialen Medien im ganzen deutschsprachigen Raum um ausgebildete Lehrkräfte und Seiteneinsteiger aus anderen Berufen geworben werden. Dafür will Freiberg einen Etat von jeweils zwei Millionen Euro in diesem und im nächsten Jahr einsetzen. «Das Bildungsministerium wird künftig noch deutlicher machen: Brandenburg ist ein attraktiver Standort für Lehrerinnen und Lehrer und bietet ihnen sehr gute Rahmenbedingungen», sagte Freiberg laut Mitteilung.
Im kommenden Schuljahr müssten in Brandenburg 1800 Lehrkräfte neu eingestellt werden. Weil so viele Pädagogen und Seiteneinsteiger auf dem Markt kaum zu gewinnen sind, wollte Freibergs Vorgängerin Ernst die 200 Lehrerstellen für Assistenzen umwidmen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass an den Schulen zusätzliche Angebote wie Förderunterricht oder Ganztagsangebote gestrichen werden müssten. Weil dies auch in der eigenen SPD-Fraktion im Landtag und bei den mitregierenden Grünen auf Widerstand stieß, war Ernst Mitte April zurückgetreten.
Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag, Katja Poschmann, begrüßte die Pläne des Ministers. «Eine großangelegte, landesweite Werbekampagne wird uns helfen, noch mehr Lehrkräfte für unsere Schulen zu gewinnen», teilte sie nach der Sitzung des Landesschulbeirats mit. «Auch das Programm "63+" überzeugt und setzt die richtigen Anreize, um verdiente Lehrerinnen und Lehrer bei weniger Unterrichtsstunden weiter zu beschäftigen.»
Poschmann begrüßte es auch ausdrücklich, dass Freiberg die Umwidmung von 200 Stellen nicht mehr verfolgt. Zwar könnten die benötigten 1800 Neueinstellungen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht realisiert werden, meinte sie. «Der entscheidende Unterschied zum vorherigen Vorschlag ist allerdings, dass die Personalkosten für unbesetzte Stellen direkt an die betroffene Schule gehen, um konkret an dieser Schule unterrichtsergänzendes und unterstützendes Personal für den gesamten Schulalltag einstellen zu können.»
Die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion zeigte sich erleichtert. «Zum Glück sind die Pläne vom Tisch, 200 Lehrkräftestellen zu streichen», sagte die Landtagsabgeordnete Petra Budke. Das von Freiberg vorgelegte Maßnahmenpaket gehe in die richtige Richtung.
Auch die bildungspolitische Sprecherin der oppositionellen Linke-Fraktion, Kathrin Dannenberg, zeigte sich mit den Plänen des Ministers zufrieden. «Die von uns geforderte Rücknahme der Stellenkürzungen steht jetzt im Freiberg-Plan», sagte sie. Zudem könnten die Schulen die Mittel von unbesetzten Lehrerstellen für notwendige Unterstützung nutzen. «Unsere Forderung, ältere Lehrer, also 63 plus, zu entlasten, hat ebenso Eingang in den neuen Plan gefunden, wie die von uns verlangte bundesweite Werbekampagne», betonte sie.
Der Landeselternrat sprach von einem «Schritt in die richtige Richtung». Der Rat sehe die Vorschläge aber bereits jetzt nicht als ausreichend an, erklärte die Vorsitzende Ulrike Mauersberger in einer Mitteilung. Sie forderte Freiberg auf, bis Mitte Juni einen konkreten Maßnahmenplan zur Sicherung des Schulbetriebs vorzulegen.