Die grüne Mobilitätsverwaltung lobt die Lösung für das Semesterticket als Erfolg. Aber nicht nur die Opposition hat daran einiges auszusetzen. Viel Kritik gab es bei der Sitzung am Donnerstag an der rot-grün-roten Verkehrspolitik insgesamt - und an Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch. CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici warf dem Senat vor, auf den wachsenden Verkehr mit weniger Busspuren, mangelndem Ausbau des Straßenbahnnetzes und weniger Verkehrsflächen zu reagieren - also genau die falschen Antworten auf drängende Probleme zu geben.
«Wir brauchen mehr Busse und Buslinien, wir brauchen endlich den Ausbau der Verbindungen mit und von Brandenburg mit einem leistungsfähigen Park-und-Ride-Konzept», sagte Friederici. «Endlich muss das unter Rot-Grün-Rot bewusst zum Erliegen gebrachte U-Bahn-Ausbauprogramm energisch wieder aufgenommen werden.»
Auch die FDP warf Rot-Grün-Rot vor, der Ausbau des Schienennetzes komme erschreckend schleppend voran. Beim U-Bahnausbau sei zu befürchten, dass in dieser Legislaturperiode nichts mehr passiere. Die AfD bemängelte, die Verkehrswende in Berlin sei eine Verkehrsbehinderung.
Kritik an der von Mobilitätssenatorin Jarasch ausgearbeiteten Lösung für das Semesterticket, zu dem das Land im kommenden Semester jeweils 75 Euro dazugeben will, gab es von vielen Seiten. CDU-Verkehrsexperte Friederici sagte, es fehle eine Lösung für die Zeit danach. Dem schlossen sich mehrere Rednerinnen und Redner an.
Auch die SPD-Abgeordnete Ina Czyborra kritisierte die grüne Verkehrsverwaltung und forderte beim Semesterticket einen Plan für die Zukunft nach der jetzigen «Kurzfristlösung». Sie hielt Jarasch vor, das kürzlich vorgestellte Zuschussmodell sei mit heißer Nadel gestrickt und auch, dass die Studierenden immer wieder neu über das Semesterticket verhandeln müssten.
Dabei seien 30 Prozent aller Studierenden armutsbetroffen. Die hohen Lebenshaltungskosten in Berlin schreckten inzwischen viele ab, die in der Stadt studieren wollten. «Mobilität ist ein entscheidender Kostenfaktor», sagte Czyborra.
Für Streit sorgte einmal mehr die Frage, wie es mit dem im Oktober in Berlin eingeführten 29-Euro-Ticket weitergehen soll. Die SPD setze sich dafür ein, dass es dauerhaft zu haben sei, sagte Czyborra und folgte damit ganz der Linie von SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh. Der hatte sich gerade erst im «Tagesspiegel» genau dafür ausgesprochen.
Der Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) entschieden dagegen am Donnerstag, das Angebot bis zur Einführung eines bundesweiten 49-Euro-Tickets zu verlängern, allerdings maximal bis zum 30. April 2023.
Jarasch hatte Salehs Vorstoß deutlich kritisiert und Forderungen nach einem dauerhaften Berliner 29-Euro-Ticket eine klare Absage erteilt. Die Brandenburger wollten keine weiteren Berliner Alleingänge, sagte sie. «Und das wissen auch alle in der Berliner Koalition.» Die Grünen und die SPD haben damit offenbar ein weiteres Wahlkampfthema gefunden.
Zur Entscheidung des VBB-Aufsichtsrats teilte Jarasch mit, der Plan, die Zeit bis zur Einführung des 49-Euro-Deutschlandtickets mit dem 29-Euro-Abo für Berlin zu überbrücken, sei im VBB akzeptiert worden. «Die Aufsichtsratsmitglieder haben aber auch deutlich gemacht, dass sie diese Zustimmung letztmalig erteilt haben.»
Im Abgeordnetenhaus sagte sie zu ihren weiteren Plänen: «Ich hoffe sehr, dass es dann auch über den April hinaus günstige Abos geben kann, auch ein 29-Euro-Ticket.» Jarasch sprach von einer vergünstigten Variante des bundesweiten 49-Euro-Tickets, das in der gesamten Region Berlin-Brandenburg für bestimmte Zielgruppen wie Seniorinnen und Senioren, Azubis, Studierende und Arbeitnehmer gelten könnte.
Saleh widersprach Jarasch: «Wir haben das kostenlose Schülerticket, das 9-Euro-Ticket für Berlinpass-Empfänger, die Azubi- und Studententickets und das Seniorenticket durchgesetzt», sagte er der dpa. «Ob die Fortsetzung unseres 29-Euro-Tickets, das über eine Million Berlinerinnen und Berliner derzeit in Anspruch nehmen, im Interesse Berlins ist, entscheidet nicht Frau Jarasch, sondern das entscheiden die Berlinerinnen und Berliner am 12. Februar.»