Rund 700.000 Mieter landeseigener Wohnungen in Berlin müssen bis Ende 2023 keine Mieterhöhungen fürchten - und keine Kündigungen wegen Zahlungsrückständen aufgrund hoher Energiepreise. Das teilte der Senator für Bauen und Wohnen, Andreas Geisel (SPD), am Donnerstag mit.
Ein sogenanntes Kündigungsmoratorium hatte der Senat bereits im September als Teil eines Entlastungspaketes beschlossen, und zwar für zunächst ein halbes Jahr. Die neue Regelung geht nun deutlich weiter. Sie gilt laut Geisel für 360.000 Wohnungen in Berlin. Auch Gewerbemieter sollen davon profitieren.
Der Senator nannte das Vorgehen bundesweit beispielgebend. Andere Politiker der rot-grün-roten Koalition lobten die Regelung als konkrete Entlastung für viele Menschen in schwierigen Zeiten. Sie forderten den Bund auf, vor dem Hintergrund hoher Energiepreise und Inflation rechtliche Grundlagen für einen generellen bundesweiten Mietenstopp zu schaffen.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) sieht die Ankündigung kritisch. Zwar sei die Entlastungsabsicht des Senats nachvollziehbar, erklärte BBU-Vorständin Maren Kern. «Das Einfrieren der Mieten ausgerechnet bei den ohnehin schon günstigen landeseigenen Wohnungsbauunternehmen ist aber wirtschaftlich brisant.»
Auch diese hätten mit rasant steigenden Kosten bei Neubau, Sanierung und Instandhaltung zu kämpfen. Wenn sie das nicht durch sehr moderate Mietanpassungen zumindest teilweise auffangen könnten, gehe das zu Lasten ihrer wirtschaftlichen Substanz.
Der Beschluss erstreckt sich auf die sechs landeseigenen Gesellschaften wie Degewo oder Howoge plus die ebenfalls landeseigene Berlinovo Immobilien GmbH. Allerdings forderten mehrere Politiker private Vermieter in Berlin auf, hier nun nachzuziehen und ähnliche Regelungen für ihre Mieter zu treffen.
Es sei richtig, die Menschen zu entlasten, sagte der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh der Deutschen Presse-Agentur. «Ich wünsche mir, dass private Eigentümer dem Vorbild des Landes folgen werden.» Temporäre Einnahmeverluste durch einen Mietenstopp für ein Jahr seien jetzt nicht zu viel verlangt, sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger, in einer Debatte im Abgeordnetenhaus. «Das wäre eine Geste der Solidarität.»
Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Taylan Kurt, sieht auch die Energieversorger in der Pflicht. Denn nötig sei in der aktuellen Lage auch ein Verzicht auf Energiesperren bei Strom oder Gas. «Gerade die Energieversorger, die jetzt Milliardengewinne machen, müssen etwas an die Menschen zurückgeben.»
Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) sagte: «Wir müssen dringend verhindern, dass Menschen jetzt im Winter der Energiearmut womöglich wegen Energieschulden noch aus ihren Wohnungen fliegen.» Für die landeseigenen Gesellschaften gebe es Verabredungen, auch zu einem Mietenstopp. «Private haben sich dieser Verabredung bisher noch nicht angeschlossen. Ich meine, das ist ein weiteres Argument für möglichst viele Wohnungen in öffentlicher Hand», so Kipping im Parlament.
Der Linke-Abgeordnete Niklas Schenker twitterte, der Mietenstopp gebe Mietern die notwendige Sicherheit für den Herbst und Winter. Der Sprecher der FDP-Fraktion für Mieten, Björn Jotzo, nannte das Vorgehen des Senats hingegen «nicht fair».
Davon profitierten nur Mieter der landeseigenen Gesellschaften, und zwar auch dann, wenn sie niedrige Mieten zahlten oder über hohe Einkommen verfügten. «Diese Entlastung mit der Gießkanne zugunsten nur eines Teils der Mieterinnen und Mieter ist daher fehl am Platz und spaltet die Gesellschaft», erklärte Jotzo via Twitter.
Sein FDP-Fraktionskollege Tobias Bauschke sagte im Abgeordnetenhaus, dass viele gerade kleinere Vermieter ebenso unter den hohen Preisen zu leiden hätten wie ihre Mieter. «Die Energiekrise macht Mieter und Vermieter zu einer Schicksalsgemeinschaft», meinte er.
In der Parlamentsdebatte tauschten sich die Abgeordneten über Entlastungen und über die Frage aus, wie Berlin durch den Winter kommt. Der CDU-Sozialpolitiker Björn Wohlert mahnte sozialen Zusammenhalt und entschlossenes Handeln des Senats an und forderte Nachbesserungen an den Planungen des Bundes für einen Gas- und Strompreisdeckel. Denn 500.000 Berlinerinnen und Berliner heizten mit Heizöl, dessen Preis ebenfalls stark gestiegen sei.
Die AfD-Politikerin Jeannette Auricht bezeichnete Hilfsmaßnahmen des Bundes und des Landes als «Heftpflaster auf eine klaffende Wunde». Hier würden Symptome bekämpft, aber nicht Ursachen für Energieknappheit und hohe Preise. Aus Aurichts Sicht sind daran nicht nur die Sanktionen gegen Russland infolge des Krieges in der Ukraine schuld. Hauptursache sei die Energiewende: «Wir können nicht gleichzeitig aus Kohle und Atomkraft aussteigen und dann erwarten, dass die Energiepreise stabil bleiben.»