Kokain, Ecstasy, Heroin: Kostenlose Drogentests in Berlin

Es gibt die klassischen Süchtigen, die täglich Heroin oder Crack nehmen. Und die Karrieristen und Partygänger, die Kokain oder Ecstasy einwerfen. Fast allen ist gemeinsam, dass sie nicht exakt wissen, was ihrem Stoff noch so beigemischt wurde von den Dealern.
Das Schild der Drogen- und Suchtberatung Misfit in Berlin Kreuzberg. © Fabian Sommer/dpa

Kostenlose und anonyme Analysen von Drogen sind in Berlin ab sofort möglich. Mit dem sogenannten Drug-Checking wird nach jahrelangen Diskussionen und Vorbereitungen ein Plan von SPD, Linken und Grünen aus dem Koalitionsvertrag von 2016 umgesetzt. Das teilte die Senatsgesundheitsverwaltung am Dienstag mit.

ZIEL und ZIELGRUPPE

Das Angebot richtet sich an Erwachsene, die Drogen nehmen. Das sind vor allem Süchtige mit täglichem Konsum, aber auch Partygänger, die nur am Wochenende etwas einnehmen. Kinder und Jugendliche dürfen das Angebot nicht nutzen, ebenso wenig professionelle Verkäufer, heißt es auf der Internetseite «drugcheckig.berlin». Erreicht werden soll eine «Suchtprävention» sowie eine «Schadensminimierung bei Drogenkonsum». Die Konsumenten sollen vor «besonders gesundheitsschädlichen Präparaten», Verunreinigungen und hohen Dosierungen gewarnt werden und ihre Risiken beim Konsum vermindern.

UNTERSUCHUNG UND ANALYSE VON RAUSCHGIFT:

Chemische Drogen wie Kokain, Heroin, Ecstasy und das Aufputschmittel Speed werden in einem neutralen Labor auf ihre Bestandteile untersucht. Getestet werden auch sogenannte neue psychoaktive Substanzen (NpS), in der Szene auch «Badesalze» genannt, die einen Rausch verursachen. Nicht untersucht werden pflanzliche Drogen wie Cannabis, also Marihuana und Haschisch, oder Medikamente, Anabolika oder Potenzmittel.

DROGENTEST UND BERATUNG

Süchtige und andere Konsumenten können Proben ihrer Käufe in «Drugchecking»-Sprechstunden bei drei Beratungsstellen abgeben: den Suchtberatungs-Initiativen Fixpunkt und Vista sowie der Schwulenberatung. Adressen und Zeiten der Sprechstunden stehen im Internet. Anfang Juni wurde jeweils eine wöchentliche Sprechstunde zu dem Thema angeboten. Vor der Abgabe der Droge gibt es eine Beratung.

FORM UND MENGE

Entgegengenommen werden vor allem «Pulver (einschl. Kristalle und Heroinkugeln), Tabletten (Pillen), Trips (Filze, Pappen, Blotter), Kapseln und Flüssigkeiten». Bei Pulvern und Flüssigkeiten benötigt das Labor den Angaben zufolge nur eine kleine Menge der Substanz. «Die Menge, die auf eine Messerspitze passt (20 - 50 Milligramm) bzw. zwei bis drei Tropfen reichen aus.» Bei der Probenübergabe in der Sprechstunde wird der Stoff in ein bereitgestelltes Röhrchen gegeben. Tabletten und Kapseln werden als Ganzes entgegengenommen. Eine Rückgabe der abgegebenen Drogen sei «ausgeschlossen».

LABOR

Zuständig für die Analyse ist das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (GerMed). Im Labor sollen schädliche und giftige Zusatzstoffe entdeckt werden, die oft von Herstellern oder Verkäufern der Drogen beigefügt werden («Strecken» der Drogen), damit größere Mengen verkauft und mehr Geld eingenommen werden kann.

WEITERE GIFTIGE SUBSTANZEN IN DROGEN

Heroin wird zum Teil mit eher harmlosen Schmerzmitteln wie Paracetamol oder dem Wachmacher Koffein gestreckt. Kokain enthält oft weitere giftige Substanzen wie Medikamente, etwa hochwirksame Schmerzmittel, die auf Dauer sehr schädlich sind. Auch ein giftiges Entwurmungsmittel für Tiere, das der Lunge zusetzt, soll dem Kokain oft schon in Südamerika zugemischt werden, um die Wirkung zu verlängern. Experten halten die Zusatzstoffe auf Dauer für genauso schädlich wie das reine Koks. Bei Ecstasy ist das Problem oft eine Frage der Dosierung, also wie stark einzelne Tabletten wirken.

ERGEBNISSE DER TESTS

Nach drei Tagen bis maximal einer Woche sollen die Ergebnisse vorliegen. Die Konsumenten erhalten einen Code, mit dem sie das Resultat persönlich oder am Telefon abfragen können. Aufgelistet werden Wirkstoffe, Menge (Gehalt) und gefährliche Verunreinigungen. «Das Analyseergebnis wird für dich durch eine Fachkraft der Pharmazie aufbereitet, so dass es für dich verständlich ist.»

Möglich sei allerdings auch, dass neuartige Substanzen oder Verunreinigungen nicht gefunden werden, das Ergebnis also nicht ganz vollständig ist. Dazu gibt es den Hinweis: «Das damit verbundene gesundheitliche Risiko und die Verantwortung für negative Konsumfolgen trägst alleine du.»

WARNUNGEN UND INFORMATIONEN

Auf der Internetseite «drugcheckig.berlin» wurden bereits erste Warnungen im Rahmen des Projekts veröffentlicht, etwa zu verschiedenen bunten Tabletten des Aufputschmittels MDMA, aus dem Ecstasy vor allem besteht. Aufgelistet werden Datum der Abgabe der Probe, Gewicht, Menge der Wirkstoffe, eine Risikoeinschätzung und Sicherheitshinweise gegen Überdosierung. Für die Partynacht wird geraten: «Akzeptiere, wenn die MDMA-Wirkung abklingt.» Wichtig seien auch möglichst lange Konsumpausen. «Halte darum Pausen von mindestens vier Wochen zwischen den Einnahmen ein.»

Über eine bestimmte Tablette «Tiger» in Form eines Tigerkopfes heißt es: «Um Überdosierungen vorzubeugen, muss die Tablette geteilt werden und es sollten nur Bruchstücke eingenommen werden.» Frauen sollten nur 1,3 Milligramm Wirkstoff pro Kilogramm Körpergewicht einnehmen, also «bei einer 60 kg schweren Frau ca. 80 mg MDMA-Hydrochlorid». Und weiter: «Wenn du es wirklich genau machen willst, pulverisierst Du die Tablette, mischt das Pulver gut durch und wiegst mit einer Feinwaage die zu konsumierende Menge Pulver ab.»

Die Seite informiert zudem über alle gängigen Drogen, Verbreitungsformen, Inhaltsstoffe, Dosierungen, Wirkungen, Nebenwirkungen, medizinische Langzeitfolgen und die Rechtslage.

RECHTSLAGE

Bei den jahrelangen Vorbereitungen wurden Staatsanwaltschaft und Polizei durch eine Kooperationsvereinbarung mit dem Senat einbezogen. Daher wird es keine Strafverfolgung an den Beratungs- und Teststellen geben, obwohl bekannt ist, dass dort Menschen unterwegs sind, die verbotene Drogen besitzen und dabei haben.

KRITIK, LOB UND KOSTEN

In Wien und Zürich gibt es gute Erfahrungen mit ähnlichen Projekten. Kritiker in Deutschland bewerteten das Projekt als Anreiz für weiteren Drogenkonsum. Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) teilte mit, die «analysegestützte Beratung» biete «die Chance, die bislang nur wenig erreichten Party- und Freizeitdrogenkonsumenten anzusprechen und für Risiken (...) zu sensibilisieren». Überdosierungen und Vergiftungen könnten vermieden und neue Trends erkannt werden. Es gehe nicht um eine Erleichterung des Drogenkonsums. Laut einem früheren Bericht des Rundfunk Berlin-Brandenburg soll das Projekt rund 200.000 Euro pro Jahr kosten.

© dpa
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