Für viele Berliner Schülerinnen und Schüler ist am Dienstag der Unterricht entfallen. Auch am Mittwoch und Donnerstag soll der normale Schulalltag an zahlreichen Berliner Schulen stillstehen. Grund dafür ist ein Warnstreik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Dazu hatte die GEW vor etwa zwei Wochen aufgerufen. Sie will ihre Forderung nach kleineren Klassen unterstreichen. So soll nach Ansicht der Gewerkschaft die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem Tarifvertrag für Gesundheitsschutz festgeschrieben werden. Bereits seit Juni 2021 steht das Anliegen im Raum, seitdem ruft die GEW immer wieder zu Warnstreiks auf.
An dem Streik am Dienstag beteiligten sich nach Angaben eines Sprechers der Berliner Bildungsverwaltung etwa 2300 Lehrkräfte - insgesamt gibt es in Berlin rund 34 000. Viele davon sind Angestellte und dürfen daher, anders als verbeamtete Lehrkräfte, streiken. Trotz des Warnstreiks habe der Unterricht vielerorts regulär stattgefunden, so der Sprecher. Eine zentrale Prüfung des Abiturs, ein Nachschreibetermin in Biologie, habe wie geplant durchgeführt werden können.
Der Berliner Senat sieht keine Möglichkeit zur Umsetzung der Forderung nach kleineren Klassen. Grund dafür sei unter anderem akuter Lehrermangel und außerdem der Fakt, dass Berlin ohne Zustimmung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) keine Tarifverhandlungen aufnehmen könne. Die TdL, der alle deutschen Bundesländer außer Hessen angehören, lehnt mögliche Verhandlungen ab.
Finanzsenator Stefan Evers (CDU) wies am Dienstag erneut auf diese Argumentation hin: Die Forderung der GEW nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz sei für das Land Berlin schon aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar. Das wisse die Gewerkschaft auch, ignoriere das aber seit Jahren.
Dagegen forderten die Abgeordneten der Linke-Fraktion im Landesparlament den Senat auf, Verhandlungen über einen entsprechenden Tarifvertrag zu beginnen. Sie wollen einen Antrag dazu zur nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses einbringen, wie die Fraktion mitteilte.
«Wir müssen diesen Kolleginnen und Kollegen dringend eine Perspektive bieten», sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Franziska Brychcy. «Dabei ist klar, dass die GEW-Forderungen nur schrittweise und nicht von heute auf morgen umsetzbar sind.» Aber es brauche Verhandlungen mit dem Ziel, tarifvertraglich Klassenhöchstgrenzen festzusetzen.
Ryan Plocher, Mitglied der GEW-Bezirksleitung Neukölln und Lehrer an einer Gemeinschaftsschule, überzeugt die Haltung der Landesregierung genauso wenig: «Der Senat sagt, ohne die Erlaubnis der Tarifgemeinschaft der Länder geht es nicht, aber es gibt auch ein Leben außerhalb der Tarifgemeinschaft», sagte er. Man habe außerdem bereits vor zehn Jahren gewusst, dass ein Lehrkräftemangel bevorstehen werde und habe damals nicht entsprechend geplant, kritisierte er. «Berlin ist nicht in der Lage, schnell genug Schulen zu bauen und nicht in der Lage, Lehrkräfte längerfristig auszubilden.»
In seiner Klasse habe er unter 24 Schülerinnen und Schülern fünf mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vier mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, erklärte Plocher. In einer kleineren Klasse hätte er mehr Zeit, sich um diese Schülerinnen und Schüler zu kümmern, so Plocher.