Debatte auf Oder-Konferenz zwischen Deutschland und Polen

Wie kann das gestresste Ökosystem Oder vor einer neuen Umweltkatastrophe bewahrt werden? Auf einer deutsch-polnischen Konferenz gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen und deutliche Worte.
Nach Umweltkatastrophe 2022 - Oder-Konferenz
Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, spricht auf der Oder-Konferenz. © Patrick Pleul/dpa

Hat sich die Oder nach der Umweltkatastrophe vom vergangenen Jahr vom Stress erholt und wie kann ein erneutes großes Fischsterben verhindert werden? Dazu haben am Dienstag Akteure vor Ort, Politik und Wissenschaft auf einer deutsch-polnischen Konferenz in Schwedt den Austausch gesucht. Eingeladen hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Gleich zu Beginn der Konferenz forderte sie, dass die Salzeinleitungen auf polnischer Seite gestoppt oder mindestens deutlich reduziert werden.

«Ich hoffe, dass mit dem gerade ins Parlament eingebrachten polnischen Gesetz für den Schutz der Oder dafür hoffentlich die rechtlichen Grundlagen geschaffen worden sind oder werden», sagte Lemke. Es gebe nur diese «Stellschraube», da die Temperatur des Flusses nicht reguliert werden könne und es ausgeschlossen scheine, dass die Alge in diesen Sommer verschwunden sei, so die Bundesministerin. Besorgt sei sie, dass der Salzgehalt in der Oder weiter zu hoch sei.

Im August vergangenen Jahres war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. Fachleute gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift einer Algenart mit dem Namen Prymnesium parvum wesentliche Ursachen für das Fischsterben waren. Auch danach wurden immer wieder überhöhte Salzfrachten im Wasser gemessen. Da die toxische Goldalge inzwischen laut Experten in der Oder weit verbreitet vorkommt, gibt es die Sorge vor einem erneuten Fischsterben im Sommer.

An diesem Mittwoch trifft sich Lemke in Słubice mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa. Im RRB-Inforadio sagte sie: «Wir haben alle große Sorge und diese werden wir der polnischen Seite in aller Klarheit übermitteln.» Das werde Hauptgesprächsgegenstand mit Moskwa sein. «Die Zusammenarbeit ist teilweise schwierig, sie ist teilweise zäh, weil es eben unterschiedliche Ansichten gibt.»

Das wurde auch bei der Oder-Konferenz in Schwedt deutlich. Der Verwaltungschef der Woiwodschaft Westpommern, Zbigniew Bogucki, warnte davor, nach «einfachen Lösungen» zu suchen. «Wir sind heute nicht im Stande, vollständig alles zu verändern, was in Nieder- und Oberschlesien passiert, wo die Einleitungen nach europäischem Recht gemacht werden, wie auch auf der deutschen Seite.» Es gehe um ganze Wirtschaftssysteme, die abgeschaltet würden, sagte er.

Nach Ansicht Boguckis sollten beide Seiten darüber nachdenken, wie Informationen schneller ausgetauscht werden könnten, um auf eine Krise reagieren zu können. Er habe bei der Umweltkatastrophe im August auf deutscher Seite keinen klaren Ansprechpartner gehabt, sagte Bogucki und schlug gleichzeitig ein deutsch-polnisches Koordinationsteam als Krisenmanagement vor.

Kritik an der Art des deutsch-polnischen Dialogs kam vom Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder), René Wilke. Präventionsmaßnahmen seien wichtig, betonte der Linken-Politiker. Schockierend sei für ihn aber, dass man sich bereits auf eine erneute Krise in der Oder einstelle, statt dafür zu sorgen, dass sie auf keinen Fall eintrete. Bei Ursachenforschung und Bekämpfung der Umweltkatastrophe lägen Deutschland und Polen weit auseinander.

Auch der Oderausbau als weitere Belastung für das Ökosystem Fluss wurde kontrovers diskutiert. Der Ausbau wird mit dem Hochwasserschutz begründet. Lemke warb einmal mehr für eine Neubewertung eines entsprechenden deutsch-polnischen Regierungsabkommens von 2015. Darüber spreche sie mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der polnischen Seite. «Und in Polen haben wir die Situation, dass ja dort sogar das Gericht einen Ausbaustopp verhängt hat für den Moment, der aber von den polnischen Behörden ignoriert wird, und das ist natürlich etwas, was mich mit großer Sorge und auch Unverständnis erfüllt», so Lemke im RBB-Inforadio.

Brandenburg werte die Baumaßnahmen als Entwicklung zur Binnenwasserstraße für den allgemeinen Verkehr, sagte Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne). Michael Kellner, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, bezeichnete das Abkommen als «überholt». Es brauche keinen Ausbau der Oder zu einer «Bundesautobahn für Wasserstraßen», sagte er.

Der Hauptstrom des Flusses ist 854 Kilometer lang. 86 Prozent des Einzugsgebietes liegt in Polen, 6 Prozent in Tschechien und 8 Prozent in Deutschland. Bei dem Treffen in Schwedt nahe dem Nationalpark Unteres Odertal ging es auch um Auswirkungen des Klimawandels und Verschmutzung.

«Wir reden darüber, dass wir die wirtschaftliche Nutzung mit dem Naturschutz, mit dem Umweltschutz in Übereinstimmung bringen müssen», sagte Lemke. Es gehe dabei nicht nur um die gemeinsame Verantwortung Polens und Deutschlands für die Oder, sondern das betreffe die «Menschheitsverantwortung» für Natur und Umwelt insgesamt. Die Problematik zu hoher Gewässerverschmutzung gebe es in ganz Europa.

Die Europäische Kommission setzt nach Worten von EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius alles daran, den Rechtsrahmen zum Schutz von Flüssen zu stärken. «Wir wollen sicherstellen, dass die Regeln besser vor einer Nährstoffbelastung und der Ausbreitung von Algenteppichen schützen», sagte er in einer Videobotschaft. Aktuell werde dazu die EU-Gesetzgebung zu wassergefährdenden Stoffen überarbeitet.

© dpa
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