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Clankriminalität beschäftigt Berlin

Sie stehlen oder handeln illegal mit Drogen, betreiben aber auch Shisha-Bars oder Autovermietungen. Berlin gilt als ein Hotspot krimineller Clan-Mitglieder. Nun liegen neue Daten dazu vor. Und ein neuer Vorschlag der Innensenatorin.
Gewaltsame Auseinandersetzungen mit Hunderten Beteiligten
Polizisten bewachen Mitglieder einer der beteiligten Gruppen einer Schlägerei in der Innenstadt. © Markus Gayk/dpa/Archivbild

Geldwäsche, Warenbetrug, Raub, Diebstahl, Bedrohung: Sage und schreibe 43 Strafverfahren hat die Berliner Polizei binnen eines Jahres gegen ein 22-jähriges Clan-Mitglied eingeleitet. Damit sicherte sich der Verdächtige den unrühmlichen Spitzenplatz im Lagebild Clankriminalität 2022, das die Berliner Innenverwaltung am Samstag veröffentlichte. Demnach registrierten Ermittler im vergangenen Jahr 872 Straftaten im Zusammenhang mit vielfach organisierter Kriminalität, die von - oft arabischstämmigen - Großfamilien ausgeht. Das sind 23 Fälle mehr als 2021.

Die Liste ist lang und facettenreich. Betrug (125), Straftaten im Verkehr (122) und Rohheitsdelikte (120) führen sie an, es folgen Drogenverstöße (86) Diebstahl/Unterschlagung (65), Bedrohung auch mit Waffen (56), Raub (43) und Geldwäsche (42). Unter den registrierten Fällen sind drei Tötungsdelikte. Hinzu kommen 89 Ordnungswidrigkeiten wie zu schnelles Fahren oder Verstöße gegen das Waffengesetz.

Berlin gilt bundesweit als ein Hotspot der Clankriminalität. Als kriminell gelten laut Lagebild keineswegs alle Clanmitglieder. Es gehe vielmehr um diejenigen mit «delinquentem Verhalten», die eigene Normen und Werte über die in Deutschland geltende Rechtsordnung stellten. Zu ihren Straftaten wurden im Vorjahr 303 Verdächtige ermittelt (2021: 295). Insgesamt rechnet Berlins Innenverwaltung dem Milieu der Clankriminalität 582 Menschen zu (Stand Ende 2022).

Knapp die Hälfte - 47,7 Prozent - sind deutsche Staatsbürger. Etwa ein Viertel werden in der Statistik als libanesisch (14,95 Prozent) oder deutsch-libanesisch (8,9 Prozent) geführt. Bei 18,7 Prozent ist die Staatsbürgerschaft unklar. Darüber hinaus ordnen die Ermittler unter anderem noch türkische (4,8 Prozent) oder deutsch-türkische Staatsangehörige (1,7 Prozent) oder Syrer (2,1 Prozent) der Clankriminalität zu, aber zum Beispiel auch einige Schweden.

Clan-Straftaten hatten 2022 etwa 0,2 Prozent Anteil an der gesamten Kriminalität in Berlin, das gilt auch für die Zahl der Verdächtigen. Dennoch gehen die Behörden seit Jahren verstärkt und koordiniert gegen diese Gruppen vor. Ein Auslöser dürfte der spektakuläre Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze 2017 aus dem Bode-Museum gewesen sein, an dem Mitglieder einer arabischstämmigen Großfamilie nach Überzeugung von Gerichten beteiligt waren.

Wichtiger Punkt eines 2018 vorgestellten Aktionsplans ist die Abschöpfung von Clan-Vermögenswerten, die mutmaßlich aus Straftaten stammen. Denn das trifft sie härter als Haftstrafen, die im Milieu häufig sogar als «Auszeichnung» betrachtet werden, wie Ermittler berichten. In diesem Zusammenhang gab es laut Lagebild 2022 in Berlin 160 polizeiliche Kontrollen - also durchschnittlich fast jeden zweiten Tag. Bei diesen teils gemeinsam mit Ordnungsämtern, Bezirken, Zoll- und Finanzbehörden durchgeführten Einsätzen wurden 606 Objekte kontrolliert und 36 davon geschlossen.

Zu den beschlagnahmten Beweismitteln gehörten mehr als 52.000 Euro mutmaßliches Drogengeld, 11.203 unversteuerte Zigaretten, rund 209 Kilogramm Wasserpfeifentabak und 633 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel. Hinzu kamen 34 Autos, 82 Spielautomaten sowie 47 Waffen beziehungsweise gefährliche Gegenstände.

Gleichwohl stoße der Staat bei der Vermögensabschöpfung an Grenzen, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger und forderte eine Beweislastumkehr. «Auch, wenn es eine Erleichterung in der Beweisführung für die Vermögensabschöpfung gab, würde eine tatsächliche Beweislastumkehr, wie zum Beispiel im Kampf gegen die Mafia in Italien, unseren Kampf gegen das Phänomen Clankriminalität noch stärken», so die SPD-Politikerin, die derzeit den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehat. Soll heißen: Ein Verdächtiger ohne Einkünfte und Vermögen müsste selbst nachweisen, woher er Geld für den Kauf einer Millionen-Villa oder eines Luxus-Autos hat.

Das Bundesinnenministerium will den Vorschlag prüfen, wie ein Sprecher dem «Tagesspiegel» (Sonntag) sagte. Das werde vor dem Hintergrund der eigenen Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geschehen. Diese enthalte «bereits mehrere Punkte, um Immobilienbesitz transparenter zu machen und illegal erworbene Vermögenswerte effektiver erkennen zu können». Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich offen für den Vorstoß Sprangers. «Wir müssen an das große Geld herankommen und deshalb alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen», sagte er der Zeitung.

Unterdessen verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihre selbst in der eigenen Partei umstrittenen Pläne zur leichteren Abschiebung krimineller Clan-Angehöriger. «Wir müssen den Kampf gegen organisierte Kriminalität konsequent führen. Clankriminalität ist ein Teil davon. Der Rechtsstaat muss hier Zähne zeigen», sagte sie der «Rheinischen Post» (Samstag). Dazu gehöre die schnellere Ausweisung von Kriminellen ohne deutschen Pass.

© dpa ⁄ Von Stefan Kruse, dpa
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