Die Brandenburger Grünen haben ihre Doppelspitze mit der Wahl von Hanna Große Holtrup nach dem Rücktritt von Julia Schmidt komplettiert und den Koalitionspartner CDU attackiert. Die 25-jährige Große Holtrup erhielt am Samstag beim Landesparteitag in Potsdam 121 von 132 Stimmen, das entspricht einem Anteil von knapp 92 Prozent. Acht Delegierte votierten mit Nein, es gab drei Enthaltungen. Große-Holtrup warb für eine menschliche Asylpolitik, Chancengleichheit und das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung. Schmidt war im Februar auf Drängen des Landesvorstands zurückgetreten.
Grünen-Co-Landeschefin Alexandra Pichl warf der CDU eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl in der Flüchtlingspolitik Fischen am rechten Rand vor. «Die CDU hat ihr C in dieser Sache schon längst verloren», sagte sie mit Blick auf den Parteinamen «Christlich Demokratische Union». «Der ehemalige Pfarrer, Innenminister (Michael) Stübgen, agiert fernab von christlicher Nächstenliebe, wenn er wieder und wieder gegen Geflüchtete hetzt und von vollen Booten fabuliert.» Stübgen hatte angesichts des Zuzugs von Geflüchteten eine «Migrationsbremse» gefordert.
Pichl sagte mit Blick auf die CDU, man habe den Eindruck, dass am gleichen Stammtisch gefischt werde «wie Rechtsaußen». Der neue CDU-Landeschef Jan Redmann müsse hier Farbe bekennen, forderte sie. Der SPD warf sie vor, dass sie in dieser Sache kaum hörbar sei.
Die Grünen wandten sich in einer Resolution gegen Abschiebung und Stimmungsmache gegen Geflüchtete und warben für die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt. Die Partei regiert seit 2019 mit SPD und CDU in Brandenburg, sie verdoppelte ihre Mitgliederzahl im Vergleich zu damals auf etwa 2600.
Der CDU-Landesvorsitzende Redmann warf Pichl «ein gefährliches Spiel» vor. «Sie versucht alle, die wie Michael Stübgen zu Recht auf die Überforderung der Gemeinden mit der ungesteuerten Zunahme irregulärer Migration hinweisen, als Hetzer zu verunglimpfen, um damit von der eigenen Hilflosigkeit abzulenken», erklärte Redmann. Er warf Pichl vor, das Problem nicht ernstzunehmen.
Außenministerin Annalena Baerbock forderte beim Landesparteitag eine stärkere Willkommenskultur. «Wenn ich in Asien unterwegs bin oder in Afrika, dann kennt man vielleicht nicht Cottbus und Lauchhammer», sagte die Grünen-Politikerin. «Aber wenn ich dafür werbe, dass wir Fachkräfte brauchen, dann fragen sie sich natürlich schon, sind wir da auch willkommen?» Interessierte überlegten, ob sie nicht lieber nach Berlin, Baden-Württemberg oder nach Kalifornien gingen.
Baerbock warb für mehr Klimaschutz im Verkehr, schloss aber auch Autofahrer mit ein und rief zu einer Elektrifizierungsoffensive auf. «Warum, zum Teufel, sollten wir denjenigen vorenthalten, an moderner Technologie teilhaben zu können, sauber und in Zukunft klimaneutral fahren zu können?», fragte sie. Die Grünen stimmten für den Ausbau von Schienen- und Radverkehr sowie ein bundesweites 29-Euro-Ticket für Studierende, Azubis, Schülerinnen und Schüler.
Baerbock machte sich bereits jetzt für Grünen-Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke als Co-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2024 stark. «Ich glaube, Du bist der Beste, der uns in den nächsten Wahlkampf führen kann», sagte sie. Offiziell sollen die Spitzenkandidatin und der Co-Spitzenkandidat allerdings erst im März 2024 bestimmt werden.
Raschke rief als Ziel bei der Landtagswahl ein «starkes zweistelliges Ergebnis» aus. Mit Blick auf die Koalitionspartner sagte er, die SPD streite sich mit der CDU darum, wer auf dem Fahrersitz sitzen dürfe. «Ich sage: Sollen sie - solange wir das Navi sind.» Dafür erhielt er viel Applaus.
Die neue Landeschefin Große Holtrup forderte vor ihrer Wahl eine nachhaltige und soziale Verkehrswende, sozialen Klimaschutz und den Einsatz für geflüchtete Menschen. «Wir werden auch nicht aufhören, unsere Koalitionspartner damit zu nerven», sagte die bisherige Fraktionsreferentin für den RBB-Untersuchungsausschuss im Landtag. Für die Europawahl schlugen die Brandenburger Grünen Viviane Triems und Sergej Lagodinsky vor.
Der erzwungene Rücktritt von Schmidt blieb ohne Debatte - die genauen Gründe sind weiter offen. Pichl hatte Schmidt vorgeworfen, sie sei vor allem in eigener Sache unterwegs gewesen. «Wir, der Landesvorstand, mussten Entscheidungen treffen, die bei einigen von Euch zunächst für Unverständnis gesorgt haben, die auch uns menschlich schwergefallen sind», sagte Pichl am Samstag. «Auch durch unsere Krisenkommunikation sind Missverständnisse entstanden. Diese Missverständnisse bedauern wir.»