Razzia wegen Kinderpornografie: 20 Wohnungen durchsucht

Die Verdächtigen sind keine bewaffneten Rocker oder Drogenschmuggler, sondern unauffällige Nachbarn, Kollegen oder Bekannte. Bei Durchsuchungen wegen Kinderpornografie braucht die Polizei auch kein SEK. Sie will nur an die Handys und Computer ran.
Die Schriftzug «Polizei» leuchtet auf dem Dach eines Streifenwagens der Polizei. © Carsten Rehder/dpa/Symbolbild

Die Warnung der Polizei ist klar und deutlich. Schon der Besitz von nur einem kinderpornografischen Foto kann zu Ermittlung, Durchsuchung und Anklage führen. Strafbar sind das Herunterladen aus dem Internet und auch der Erhalt von einem anderen Nutzer. Und die IP-Adressen der privaten Computer sind vor der Polizei keineswegs geheim. 20 Wohnungen von Verdächtigen wurden am Dienstagmorgen in Berlin von der Polizei durchsucht und zahlreiche Computer und Handys beschlagnahmt.

Im Internet schilderte die Polizei mehrere anonyme Beispiele von Verdächtigen, vor allem Männern. Es folgte der Hinweis, dass die Tweets «eventuell schwer zu ertragen» seien, der Kampf gegen sexuellen Missbrauch umso wichtiger sei. So soll ein 47-jähriger Mann aus Pankow im Juli 2022 im Internet eine Datei mit Missbrauchsabbildungen zum Download bereitgestellt haben. «Das Video zeigt sexuelle Handlungen zwischen einem Mädchen (unter 14 Jahren) und einem Mann», twitterte die Polizei.

In einem weiteren Beispiel hieß es, ein 40-jähriger Mann aus Spandau soll 2020 mit einem weiteren Verdächtigen gechattet, «Nacktbilder von dessen 13-jähriger Tochter erhalten und dazu sexualisierte Chatnachrichten geschrieben haben». Ein weiterer Mann aus Schöneberg soll im Juni 2022 über einen Messenger «Videodateien verbreitet haben, die die Penetration eines Kleinkindes zeigen».

Unter den von der Polizei angeführten Verdächtigen waren auch Jugendliche. So soll ein 16-Jähriger aus Wedding 2021 mehrere kinder- und jugendpornografische Dateien hochgeladen und sie anderen zur Verfügung gestellt haben. Die Dateien zeigten sexuelle Handlungen unter Jugendlichen.

Gerade vielen Jugendlichen und jüngeren Menschen ist nicht bewusst, dass sie sich schon mit dem Besitz solcher Fotos oder Videos strafbar machen. «Das macht doch jeder, das ist doch nur Spaß», sagt ein Jugendlicher, dessen Elternhaus gerade durchsucht wird, in einem Warnvideo «Denken statt Senden». Bundesweit waren 2021 40 Prozent der Verdächtigen bei der Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet jünger als 18 Jahre.

Die aktuellen Ermittlungen und Durchsuchungen in Berlin richteten sich gegen 19 Männer und eine Frau im Alter von 16 bis 57 Jahren, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Dabei gehe es um Einzelfälle und nicht um ein Netzwerk, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Polizisten trugen am Morgen Kartons aus den betreffenden Privatwohnungen. Im Amtsdeutsch hieß es, es gehe um den Anfangsverdacht «des Besitzes, der Besitzverschaffung und Verbreitung von Kinderpornografie und Jugendpornografie».

Es seien zahlreiche Beweismittel aufgefunden worden, hieß es später. Dazu zählten demnach 74 Mobiltelefone, 63 Festplatten, 28 Tablets, 26 Notebooks, 15 Rechner und 185 Gegenstände wie CDs, DVDs oder VHS-Kassetten und Spielekonsolen.

Die Hinweise zu den Verdächtigen wurden laut Staatsanwaltschaft über Whatsapp-Gruppen ermittelt oder stammten von der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation NCMEC («National Center for Missing and Exploited Children», deutsch: Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder). Amerikanische Internetanbieter sind verpflichtet, Verdachtsfälle von Kinderpornografie an dieses Zentrum zu melden.

Das NCMEC leitet die Hinweise, die oft private IP-Adressen von Computern enthalten, an die Polizei weiter. Geht es um IP-Adressen in Deutschland, wird das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) informiert, das wiederum die LKAs in den Bundesländern einbezieht. Ermittelt werden dann die Nutzer der IP-Adressen.

Durch die vielen Hinweise aus den USA stieg auch in Deutschland zuletzt die Zahl der Ermittlungen zu Besitz, Herstellung und Verbreitung von Missbrauchs-Inhalten. Allein in Berlin gab es 2021 fast 1900 erfasste Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Die Motive der Verdächtigen und die Schwere der Vorwürfe seien allerdings unterschiedlich, schrieb die Polizei. «Pädosexuelle erstellen das Material z. B. selbst, Sammler suchen stetig «Neues». Gelegenheitskonsumenten und neuerdings auch Jugendliche verbreiten kinderpornografische Dateien zu Unterhaltungszwecken.» Durch die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen von Computern und Handys, auf denen Fotos oder Videos gespeichert sind, will die Polizei klären, um welche Anschuldigung es konkret geht und Beweise für Anklagen und Verurteilungen sichern.

Klar ist dabei: Gibt es eine Suche nach derartigen Fotos und Videos, werden sie von Tätern erstellt. Jede Darstellung zeige «ein reales, tatsächliches Geschehen», erklärt die Polizei im Internet. Die Nachfrage «provoziert mittelbar immer weiteren sexuellen Missbrauch an Kindern». Schuldig seien daher auch die reinen Betrachter, sie handelten «moralisch in höchstem Maße verwerflich».

© dpa ⁄ Andreas Rabenstein, dpa
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