Baufehler? Suche nach Schuldigen für Brückeneinsturz

Es geht um Verankerungen, Pfeiler, Achsen, Gewindestäbe, Längsträger und vieles mehr: Vor dem Landgericht Schweinfurt soll seit Montag geklärt werden, wer Schuld am Einsturz eines Stücks einer frisch betonierten Autobahnbrücke im Juni 2016 in Bayern trägt. Damals starb ein Bauarbeiter, 14 weitere wurden verletzt. Den Juristen steht ein langwieriges Verfahren bevor, das selbst für Bauexperten komplex ist.
Prozess um Brückeneinsturz
Die Luftaufnahme zeigt die Unfallstelle am Ersatzneubau der Talbrücke Schraudenbach. © Hajo Dietz/dpa/Archivbild

Gleich zu Beginn der Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt machen die Verteidiger deutlich, dass im Prozess mit viel Gegenwind von ihrer Seite zu rechnen sein wird. Den gerichtlich bestellten Bausachverständigen, der in seinem Gutachten die mögliche Einsturzursache nennen soll, lehnen die Anwälte von zwei der vier Angeklagten ab. Das Gutachten sei aus vielen Gründen unverwertbar, sagt die Verteidigerin eines angeklagten 65-Jährigen.

Dem Sachverständigen fehle es etwa an Objektivität und Neutralität sowie an Sachkunde - er sei kein Experte für Stahlbau. «Mangels eigener Expertise war er auf die Sachkunde von Dritten angewiesen.» Die überwiegende Erstellung des Gutachtens durch Hilfskräfte sei aber unzulässig. «Es besteht ein striktes Delegationsverbot. (...) Die Erstellung eines Gutachtens ist eine höchstpersönliche Pflicht», mahnt die Juristin. Ein anderer Anwalt stellt den Antrag, den Bausachverständigen wegen möglicher Befangenheit abzulehnen - die Anklagevertretung sieht dafür jedoch keinen Anlass.

Es ist der 15. Juni 2016. Rund 1500 Tonnen Beton sind gerade für die neue Schraudenbach-Talbrücke auf der Autobahn 7 bei Werneck im Landkreis Schweinfurt eingefüllt, als das Traggerüst nachgibt. «Beim Zusammenbruch wurden 13 Bauarbeiter circa 22 Meter tief mitgerissen», liest Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert die Anklage vor. Zusammen mit den Bauteilen aus Beton, Holz und Stahl stürzen die Männer in den Abgrund. Ein 38 Jahre alter Arbeiter - Vater von zwei Kindern - stirbt. 14 weitere Menschen werden verletzt, drei von ihnen lebensbedrohlich. Zurück bleibt ein riesiger Trümmerhaufen aus Stahlrohren, langen Metallseilen, Stahlträgern und unzähligen Gerüstteilen - meterhoch im halbfesten Beton.

Die Staatsanwaltschaft wirft zwei 49 und 65 Jahre alten Ingenieuren sowie einem Statiker (51) fahrlässige Tötung sowie fahrlässige Körperverletzung in 14 Fällen vor. Ein weiterer Ingenieur (59) steht wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen vor Gericht.

Der 51-Jährige soll die Statik der Traggerüstkonstruktion berechnet und die Ausführungszeichnungen erstellt haben. Dabei soll er Fehler gemacht haben - und dadurch soll das Gerüst nicht tragfähig genug gewesen sein.

Der 59-Jährige steht vor Gericht, weil er sich als vom Freistaat Bayern betrauter Prüfer nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft praktisch gar nicht mit der Sache beschäftigt und seinerseits die Angelegenheit regelwidrig an den ebenfalls angeklagten 65 Jahre alten Subunternehmer weitergegeben haben soll. Dieser wiederum soll die Arbeit seinem Angestellten übertragen haben, dem 49-Jährigen. Alle drei hätten nach Ansicht der Ankläger die Fehler in der statischen Konstruktion und in der Berechnung erkennen können und müssen.

Der Verteidiger des 59-Jährigen knüpft sich zu Prozessbeginn zunächst die Staatsanwaltschaft vor. «Ich bin der Meinung, dass von Anfang an völlig falsch ermittelt wurde», sagt der Anwalt im Namen seines Mandanten. Anstatt einen Statiker und drei Ingenieure vor Gericht zu stellen, hätte die Baufirma stärker in den Fokus genommen werden müssen. Diese hätte das Traggerüst, eine Stahlkonstruktion, beim Betonieren konsequent überwachen müssen.

«Das Traggerüst wurde abweichend von den Ausführungszeichnungen aufgebaut», erklärt der Jurist. So fehlten entgegen den Plänen etwa Schrauben und Verbindungen. «Nur nach den geprüften Ausführungsunterlagen darf gebaut werden.» Abweichungen seien nicht gestattet und seien vom Planer auch nicht bestätigt worden. «Im Grunde handelt es sich um einen nicht genehmigten Schwarzbau.»

Ein erster Prozess zu dem Unglück gegen damals drei der Angeklagten hatte Ende 2019 begonnen, war aber nach sechs Verhandlungstagen ausgesetzt worden, weil das mündliche Gutachten der damaligen Bausachverständigen vom schriftlichen Gutachten abwich. Im Zuge von Nachermittlungen klagte die Staatsanwaltschaft dann auch den 65-Jährigen an. Für den Prozess sind bis April noch elf Verhandlungstage angesetzt.

© dpa ⁄ Angelika Resenhoeft, dpa
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