Friedlich und ohne Zwischenfälle haben mehr als eine halbe Million Menschen den Christopher Street Day in München gefeiert. Am Demonstrationszug beteiligten sich mehr als 180 Gruppen und Initiativen: Sie zogen mit bunt geschmückten Wagen, kostümierten Fußgruppen und Motorrädern durch die Innenstadt. Dabei kam es zu keinerlei Vorfällen, wie ein Polizeisprecher am Sonntag rückblickend bilanzierte.
Wie in München wurde am Samstag auch in Würzburg der Christopher Street Day (CSD) farbenfroh und fröhlich gefeiert. Die Polizei in Unterfranken zählte dort rund 1000 Teilnehmende.
In der Landeshauptstadt war der Trubel allerdings um einiges größer: Etwa 60.000 Menschen nahmen an der Parade teil, bejubelt von rund 460.000 Zuschauerinnen und Zuschauern - zusammen also rund 520.000 Menschen. Beim Straßenfest rund um den Marienplatz am Rathaus wurde außerdem bei bestem Wetter zu Live-Musik gefeiert, nachts ging die Party beim «Rathaus Clubbing» im neuen Rathaus weiter. Auch am Sonntag genossen Menschen noch beim Straßenfest den Sonnenschein.
Doch die ausgelassene Stimmung dürfe über die grundsätzliche Entwicklung im Freistaat nicht hinwegtäuschen, betonte Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) bei der Parade: «Zwischen 2010 und 2021 haben sich Delikte gegen queere Menschen versiebenfacht.» Derzeit stehe viel auf dem Spiel, was Generationen von Aktivisten erkämpft hätten. «Gleichstellung und Akzeptanz müssen ernst gemeint sein. Sie brauchen Überzeugung. Sie brauchen eine klare Haltung», betonte Habenschaden, die anstelle von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die offizielle Rede der Stadt hielt.
Sie forderte deshalb ebenso wie die Demonstranten einen queeren Aktionsplan in Bayern. CSDs in ganz Bayern hatten sich mit dieser Forderung zusammengeschlossen - in allen anderen Bundesländern gibt es einen solchen bereits länger. Die diesjährige CSD-Parade in der Landeshauptstadt wurde deshalb unter das Motto «Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!» gestellt. Vergangene Woche gab Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) dann einen solchen Aktionsplan zur Stärkung der Rechte und Teilhabe queerer Menschen im Freistaat bekannt.
Besonders in München hatte die Queer-Politik der CSU vor der Veranstaltung für Diskussionen gesorgt: Bei den Christsozialen sorgte die Tatsache für Unmut, dass die Stadtratsfraktion nicht mit einem eigenen Wagen bei der Parade mitfahren durfte. Voraussetzung für eine Teilnahme sei der glaubhafte und konsequente Einsatz für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz aller queeren Menschen, betonten hingegen die Veranstalter - die das bei der CSU nicht gegeben sahen.
Der Christopher Street Day erinnert an den ersten bekannt gewordenen Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street am 28. Juni 1969. Im Gedenken an diesen Tag gehen seitdem Menschen auf der ganzen Welt auf die Straße. Im vergangenen Jahr hatten beim CSD in München nach Angaben der Polizei mehr als 350.000 Menschen gefeiert - die Parade kam nach Schätzungen der Behörde auf rund 25.000 Teilnehmende.
Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise solche, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.