Thüringer Linke-Delegierte haben bei einem Parteitag erstmals eine Doppelspitze für ihren Landesverband gewählt und sich offen für eine allgemeine Corona-Impfpflicht gezeigt. Die Weimarer Rechtsanwältin Ulrike Grosse-Röthig erhielt bei dem Landesparteitag in Bad Blankenburg (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) 67,2 Prozent der Stimmen, der Landtagsabgeordnete und Hochschulpolitiker Christian Schaft erzielte ein Ergebnis von 79,7 Prozent.
Mit der neuen Doppelspitze wurde bei den Thüringer Linken eine Interimslösung beendet: Nachdem die langjährige Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ihre Thüringer Spitzenämter abgegeben hatte, führten ihre beiden Stellvertreter den Landesverband vorübergehend. Hennig-Wellsow ist Co-Bundesvorsitzende der Linken und inzwischen auch Bundestagsabgeordnete.
Schaft sagte in seiner Bewerbungsrede: «Ich bin vielleicht nicht bekannt als die emotionalste Rampensau.» Er habe eine «gehörige Portion Respekt» vor der neuen Aufgabe. Der 30-Jährige ging vor allem auf das Innere der Partei ein. Es brauche für die Mitglieder wieder mehr Zeit für politische Arbeit und Mitgliederarbeit, sagte Schaft.
Zugleich betonte er, dass die Linke die stärkste politische Kraft in Thüringen bleiben müsse. Man mache Politik genauso für Rentner wie für Familien, Geflüchtete und für queere Menschen. «Da lassen wir keine Luft ran. Das ist unteilbar», sagte Schaft. Christian Schaft ist Abgeordneter im Thüringer Landtag und hochschulpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Grosse-Röthig war einst Bundeselternsprecherin für den Kita-Bereich. In ihrer Bewerbungsrede erzählte die 41-Jährige die Geschichte eines Jugendlichen aus sozial schwierigen Verhältnissen, den sie in einer Jugendarrestanstalt kennengelernt hatte.
Sie machte klar, dass man immer wieder auf Ungerechtigkeiten stoßen werde. «Linke Politik darf sich aber nicht nur in gesellschaftspolitischen Überlegungen ergehen», sagte Grosse-Röthig. Linke Politik müsse sich daran messen, was sie auf den Weg in eine bessere Welt ganz konkret für die Menschen tue.
Als neue stellvertretende Vorsitzende wurden Katja Mitteldorf (51,64 Prozent) und Daniel Starost (69,42 Prozent). Mathias Günther wurde mit 51,61 Prozent der Stimmen im Amt des Landesgeschäftsführers bestätigt.
Die Co-Bundesvorsitzende der Linken, Hennig-Wellsow sagte, sie freue sich, dass «eine neue Generation jetzt die Politik in Thüringen übernimmt». In ihrer Rede ging sie auf die für die Linke niederschmetternde Bundestagswahl ein. Sie habe die Hoffnung, dass die Linke nach dem Wahlergebnis, das «eine echte Klatsche» gewesen sei, wieder aufstehe.
Die Linke hatte bei der Bundestagswahl ein Ergebnis von nur 4,9 Prozent und damit unterhalb der Fünfprozenthürde erreicht. Allerdings errang die Linke mehrere Direktmandate und konnte somit trotzdem eine Fraktion im neuen Deutschen Bundestag bilden.
Beim Landesparteitag sprach sich eine Mehrheit der rund 120 Linke-Delegierte für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aus. Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag wurde in Bad Blankenburg angenommen. In dem kurzfristig noch leicht veränderten Antrag hieß es: Wenn das sich zuspitzende Corona-Infektionsgeschehen weitere Einschränkungen auch für geimpfte Menschen notwendig mache, «erscheint eine allgemeine Impfpflicht geeignet, erforderlich und angemessen, um eine folgenreiche Überlastung des Gesundheitssystems nachhaltig abzuwenden».
Das Thema ist innerhalb der Linken nicht unumstritten. Für Aufregung hatte Sarah Wagenknecht gesorgt, als sie in einer TV-Sendung ihre Entscheidung, bisher auf eine Corona-Impfung zu verzichten, unter anderem damit begründete, dass es sich um «neuartige Impfungen» im Vergleich zum «klassischen Impfstoff» handele.
Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner und ihr Kabinettskollege Bildungsminister Helmut Holter (beide Linke) sprachen sich bisher stets gegen eine Impfpflicht aus - allerdings aus pragmatischen Gründen. Werner etwa befürchtet bei der Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie der Pflege, dass noch mehr Beschäftigte diesem Berufsfeld den Rücken zukehren könnten.