Antisemitismus ist nach Ansicht des Ansprechpartners für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt noch immer ein akutes Problem im Land. «Jüdinnen und Juden schildern auch in Sachsen-Anhalt antisemitische Vorfälle als ihre alltägliche Erfahrung», sagte Wolfgang Schneiß. Häufig erlebten sie diese nicht in Form von äußerer Gewalt, sondern durch «abwertende Bemerkungen, Relativierung der NS-Verbrechen, (...) die Behauptung über angeblichen Einfluss von Juden gegenüber anderen».
Auf zwei Orte wolle er besonders hinweisen, sagte Schneiß. «Der Küchentisch und der Schulhof.» Was und wie zu Hause erzählt werde, präge das Weltbild junger Menschen. «Der Schulhof ist häufig der Ort, wo antisemitische Stereotypen erste Verbreitung finden», führte Schneiß weiter aus. Den Antisemitismus an Schulen wolle man nun mit einer Fallstudie genauer beobachten, um anschließend das Problembewusstsein der Schüler zu schärfen.
Am meisten erschreckten ihn einfach so dahingesagte, oft gedankenlose Bemerkungen über Juden, betonte Schneiß. Diese zeigten: «Das sind die Anderen, so richtig gehören die nicht dazu.» Diesem Denken in Abgrenzungen sollten wir, wo immer wir ihm begegnen, mutig widersprechen, forderte Schneiß.
Mit Sorge blicke er auf immer offener zutage tretende Verschwörungsmythen seit dem Beginn der Pandemie. Diese seien ein «echter Treiber für uralte antisemitische Stereotypen», sagte der Antisemitismus-Experte. Die Anfeindungen kämen nicht nur von Menschen, die aufgrund ihrer islamischen Prägung mit dem Feindbild Israel aufgewachsen sind, sondern «aus der Mitte der Gesellschaft».