Einfuhrregeln für Kinder-Antibiotika gelockert

Antibiotika für Kinder sind knapp. Was tun? Vorübergehend sollen auch laxere Import-Regeln den Nachschub sichern. Langfristig soll das Engpass-Problem aber anders gelöst werden.
Antibiotika
Der Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften sorgt deutschlandweit für eine besorgniserregende Situation. © Waltraud Grubitzsch/dpa

Mehrere Bundesländer lockern auf Basis eines offiziell festgestellten Versorgungsmangels die Einfuhr-Regeln bei Antibiotika-Säften für Kinder. So kündigte Bayern am Wochenende an, befristet die Einfuhr von Arzneimitteln zu gestatten, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind. «So können die Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln», sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) laut Mitteilung. Auch Nordrhein-Westfalen habe «alle notwendigen Schritte in die Wege geleitet, um hier schnell Abhilfe zu schaffen», zitierte der WDR das Düsseldorfer Ministerium. Auch in Bremen gibt es lockerere Maßgaben für den Import.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb mit Blick auf den bayerischen Vorstoß auf Twitter: «Genau für solche unbürokratischen Aktionen der Länder gegen Antibiotika-Lieferengpässe haben wir die Voraussetzungen jetzt geschaffen. Sie sollten genutzt werden.»

Möglich macht das Vorgehen der Bundesländer eine Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) im Bundesanzeiger, wonach derzeit ein Versorgungsmangel bei diesen Arzneimitteln besteht. Dadurch soll auch die einfachere Einfuhr aus dem europäischen Ausland erleichtert werden. Behörden könnten es nun etwa möglich machen, ein Medikament aus Spanien, das keine deutsche Verpackung hat, von Apotheken hierzulande ausgeben zu lassen, erläuterte der Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Florian Lanz.

Appell von Medizinern in Europa

Die Versorgungslage bei Arzneimitteln ist Kinder- und Jugendärzten zufolge kritisch. So appellierten vor wenigen Tagen Mediziner aus mehreren europäischen Ländern in einem Brief an ihre Gesundheitsminister, gegen die Knappheit vorzugehen. «Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen ist durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet. Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich!», heißt es in dem Schreiben. Noch vor wenigen Jahren sei dieses Szenario unvorstellbar gewesen.

Zu den Mitzeichnern gehört der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach. Es fehle an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform. Auch das Antibiotikum Penizillin gebe es derzeit nicht, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Antibiotika werden zum Beispiel bei Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen oder Scharlach verschrieben. Steht das passende Präparat nicht zur Verfügung, muss nach Angaben des BVKJ zu einem Antibiotikum der zweiten und dritten Wahl gegriffen werden, das aber schlechter wirkt und das Risiko sich bildender Antibiotika-Resistenzen erhöht.

Vertrauen in Pharmaindustrie «erschüttert»

Die Ursachen für Lieferengpässe bei Arzneimitteln seien vielfältig, heißt es vom Bundesministerium. Es wies etwa auf Engpässe bei Grundstoffen oder Produktionsprobleme hin. Der GKV-Spitzenverband gibt der Pharmabranche eine Mitschuld: «Es gab ein gemeinsames Vertrauen in die Pharmaindustrie, dass sie im Zweifel die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellt. Dieses Vertrauen ist mittlerweile erschüttert», sagte Lanz. Die Branche habe Lieferketten mit Produktionsstätten im Ausland aufgebaut, die sich jetzt als instabil erwiesen.

Lauterbach schrieb am Samstag bei Twitter, die Sorge der Kinderärzte sei berechtigt, und verwies auf ein entsprechendes Gesetz zur Bekämpfung der Engpässe, das die Bundesregierung Anfang April auf den Weg gebracht hatte. Vom Bundestag beschlossen ist es aber noch nicht. Es soll Herstellern ermöglichen, höhere Abgabepreise für Kindermedikamente in Deutschland zu verlangen, so dass sich Lieferungen nach Deutschland mehr lohnen. Bei wichtigen Medikamenten ist auch eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung vorgesehen. Und bei Antibiotika sollen Hersteller, die Wirkstoffe in Europa produzieren, stärker zum Zug kommen.

In der Begründung zum Gesetz ist nachzulesen, dass bei bestimmten Arzneimitteln mit Antibiotika inzwischen mehr als 60 Prozent der Wirkstoffproduktion in Asien stattfindet, doppelt so viel wie vor zwanzig Jahren. Die Neuregelung soll Abhängigkeiten verringern.

© dpa ⁄ Jörg Ratzsch und Valentin Frimmer, dpa
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