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Aufatmen und Skepsis nach Beginn der Waffenruhe

Im Libanon wie in Israel atmen viele Menschen auf, dass der Beschuss und die Bombardierungen vorerst ein Ende haben. Doch bis zu einem sicheren und langfristigen Kriegsende ist der Weg weit.
Nahostkonflikt - Libanon
Nahostkonflikt - Beirut
Nahostkonflikt - Libanon

Aufatmen auf beiden Seiten der israelisch-libanesischen Grenze, aber auch Skepsis: Mit der vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz steuern beide Seiten in ein neues und ungewisses Kapitel ihres jahrzehntealten Konflikts. Im Lauf der Waffenruhe über zunächst 60 Tage gibt es zahlreiche Fallstricke, die den fast 14 Monate laufenden Krieg wieder anfachen könnten. Zunächst überwiegt aber die Erleichterung, dass der schwere gegenseitige Beschuss und die massiven Bombardierungen im Libanon vorerst ein Ende haben.

Die von den USA und Frankreich vermittelte Waffenruhe trat am Mittwoch um 4.00 Uhr früh in Kraft, woraufhin die Explosionen und das Donnern der Kampfflugzeuge im Libanon fast auf die Minute genau verstummten, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Ein befürchteter letzter großer Angriff der Hisbollah etwa auf Tel Aviv blieb dagegen aus. Noch in der Nacht feierten die Menschen im Libanon das - zumindest vorläufige - Kriegsende. Viele der rund 800.000 Vertriebenen im Land machten sich auf den Weg, um in ihre Wohnhäuser zurückzukehren. Bei den Einwohnern der israelischen Grenzorte herrschte jedoch Skepsis vor, viele von ihnen glauben nicht, dass die Vereinbarung mit der Hisbollah ihre Sicherheit gewährleisten kann. 

Eine Vereinbarung mit vielen Tücken

In den Details der Vereinbarung stecken viele Tücken. Zwar sollen sich laut informierten Kreisen im Libanon die verbleibenden Hisbollah-Kämpfer hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der Grenze mit Israel zurückziehen. Unklar bleibt aber, wer etwa darüber entscheidet, ob es sich bei Rückkehrern in südlichere Gebiete um Kämpfer, Sympathisanten oder Zivilisten handelt. Schon am ersten Tag der Waffenruhe meldete das israelische Militär im Süden mehrere Zwischenfälle, bei denen die Armee Schüsse auf verdächtige Personen abgegeben habe.

Eine Absicherung im Süden soll die vergleichsweise schwache libanesische Armee sein, die laut Berichten von 5.000 auf 10.000 Soldaten im Grenzgebiet aufgestockt werden soll. Sie scheiterte aber schon nach dem vergangenen Krieg 2006 daran, Vereinbarungen zum Ende der Feindseligkeiten durchzusetzen. Deshalb gibt es auch Zweifel, ob sie dafür sorgen kann, dass die schweren Waffen und Infrastruktur der Hisbollah im Süden des Libanon zerstört werden, wie es die Einigung Berichten zufolge vorsieht.

Abzug von Israels Bodentruppen als möglicher Streitpunkt

Ein Streitpunkt könnte auch der Abzug israelischer Bodentruppen werden, die Ende September in das Nachbarland einmarschiert waren. Der schrittweise Prozess, bei dem nach 60 Tagen keine ihrer Soldaten mehr im Libanon sein soll, lässt Raum für Verzögerungen und unterschiedliche Auslegungen, etwa wenn die Hisbollah ihren Teil der Vereinbarung nicht einhält. Zudem behält sich Israel durch eine zusätzliche Garantie der USA weiterhin das Recht vor, im Libanon jederzeit wieder militärisch vorzugehen. Auch hier ist unklar, wie weit die Zusagen der USA an Israel in dieser unabhängigen Vereinbarung reichen.

Insgesamt bewegt sich die Vereinbarung entlang der nie vollständig umgesetzten UN-Resolution 1701, die den Krieg 2006 beendete. «Die Herausforderungen sind dieselben wie vor 18 Jahren», sagt Libanon-Experte Heiko Wimmen von der Denkfabrik Crisis Group. Nämlich die Frage, wie sichergestellt wird, dass Israel und Hisbollah sich auch langfristig an die Vereinbarung halten und was aus dem Arsenal der Miliz werden soll, die vor Kriegsbeginn zu den am stärksten bewaffneten paramilitärischen Gruppen der Welt zählte.

Israel will sich auf Konflikt mit Iran konzentrieren

Bei der Ankündigung der Waffenruhe sprach der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Blick auf die iranische «Achse des Widerstands» - Teheran und seine Verbündeten in der Region, darunter auch die Hisbollah und die Hamas im Gazastreifen - von großen Erfolgen Israels an sieben Fronten. Nun könne Israel sich auf seinen wichtigsten Erzfeind konzentrieren und den Iran daran hindern, Atomwaffen zu erlangen, sagte Netanjahu. 

Leise Hoffnung auf Ende des Gaza-Kriegs

Die Waffenruhe mit der Hisbollah hat vorsichtige Hoffnung geweckt, nun könne auch der blutige Gaza-Krieg enden. Doch ist dies berechtigt? Die Hamas bekräftigte zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft für ein Ende der Kämpfe. Ein Hamas-Vertreter sagte der dpa aber auch, die Organisation bestehe auf ihren Bedingungen für eine Waffenruhe. 

Aus ägyptischen Sicherheitskreisen hieß es, die USA seien in Kontakt mit Ägypten, der Türkei und Katar, um eine Einigung auf ein Ende des Gaza-Kriegs herbeizuführen. Außerdem gebe es intensive Bemühungen um eine Wiederöffnung des seit Monaten von Israel besetzten Grenzübergangs Rafah nach Ägypten - für die notleidenden Palästinenser das wichtigste «Tor zur Welt». 

Eine Kommentatorin der israelischen Zeitung «Jediot Achronot» schrieb, Netanjahu habe in seiner Ansprache «die dringendste und schmerzhafteste Frage unbeantwortet gelassen: Warum hat er in Gaza nicht getan, was er im Libanon getan hat?» Sie warf dem Regierungschef vor, er habe «die Geiseln aufgegeben». Stattdessen vermarkte er nun einen angeblichen Sieg über die Hisbollah.

© dpa ⁄ Johannes Sadek und Sara Lemel, dpa
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